„Statt allen möglichen Leuten seine eigene Idee vorzustellen, ist es sinnvoller, einer Person zuzuhören, die genau das Problem hat, das ich lösen möchte.“

v.l.n.r.: Lukas Klaßen, Patrick Bala, und Till Hoffmann
© BMWK/Wolfgang Borrs

In jedem Unternehmen gibt es Informationen darüber, wie bestimmte Aufgaben und Arbeitsprozesse am besten erledigt werden können. Dieses unternehmensinterne Wissen ist auf verschiedene Abteilungen, Personen und digitale Ordner verteilt. Das bedeutet: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investieren mitunter viel Zeit, um notwendige Informationen zu finden. Das möchten die Gründer von „Knowledge in a Box“, kurz: KiaB, ändern. Patrick Bala, Till Hoffmann und Lukas Klaßen haben ein Tool entwickelt, das unternehmensinternes Wissen schnell und transparent zur Verfügung stellt. Die Ausgründung der TH Köln hat damit auch die Jury des „Gründungswettbewerbs - Digitale Innovationen“ der Bundesregierung überzeugt.

Herr Klaßen, Sie haben zusammen mit Ihren Kollegen ein Tool entwickelt, das den Zugriff auf unternehmensinterne Informationen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erleichtern soll. Wie kann man sich das vorstellen?

Klaßen: In Unternehmen gibt es viele Informationen in Form von Anleitungen, Checklisten, Grafiken, Formularen usw. Sie befinden sich in verschiedenen Abteilungen, digitalen Ablagesystemen und Tools. Dieses geballte Wissen ist wichtig für den Arbeitsalltag, für Strategieplanungen, für die Einarbeitung von Personal, für die Erstellung von Dokumentationen usw. Das Problem ist aber, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht wissen, dass es diese Informationen gibt bzw. wo sie zu finden sind. Im Ergebnis geht dadurch viel Zeit verloren: entweder, weil die Suche nach den notwendigen Informationen sehr lange dauert, oder weil das Rad immer wieder neu erfunden wird.

Und Ihr Tool wird das ändern?

Klaßen: Unser Tool verknüpft die Informationen, die in den verschiedenenAblagesysteme gespeichert sind, und stellt sie in einen Zusammenhang. Dazu arbeitet es mit einer Art Mind-Map im Hintergrund. Dabei werden alle Inhalte an dem Ort und in dem Kontext verknüpft und zur Verfügung gestellt werden, wo sie gebraucht werden. Nehmen wir das Beispiel Reisekosten: Unser Tool bündelt zum Beispiel alle unternehmenseigenen Unterlagen zum Thema Reise. Dazu gehören Anleitungen zur Reisekostenabrechnung, das Formular zur Erfassung der Reisekosten, die Kontaktdaten der zuständigen Abteilung, eventuell auch eine Hotelübersicht und natürlich die Webseiten und Bestellfunktionen der Reiseanbieter wie zum Beispiel der Deutschen Bahn. Wenn ich nun als Mitarbeiter zum Beispiel eine berufliche Reise mit der Deutschen Bahn plane, gehe ich auf deren Webseite, um eine passende Verbindung zu suchen. Sobald ich auf der Webseite bin, leuchtet oben rechts ein Icon auf. Wenn ich da draufklicke, sehe ich auf einen Blick, wie ich die Reisekosten im Unternehmen abrechnen muss, wenn ich mit der Bahn reise.

Wie sieht es mit den Informationen aus, die für die Bewältigung komplexer Arbeitsprozesse notwendig sind?

Klaßen: Meinen Sie zum Beispiel Reklamationen? Die betreffen viele Unternehmen und sind ziemlich kompliziert, weil es sehr viele Varianten gibt. Wir unterteilen daher zunächst den gesamten Prozess der Reklamationsabwicklung in einzelne Schritte. Beim dritten Schritt erhält der Mitarbeiter zum Beispiel den Hinweis, dass er ein bestimmtes Dokument verwenden muss. Dieses Dokument wird dann automatisch angezeigt und kann angeklickt werden. Wir können insofern also ganze Arbeitsprozesse begleiten.

In welchem Kontext ist die Idee entstanden?

Klaßen: Ich habe an der FH Münster 2017 meine Bachelorarbeit über das Thema Wissensmanagement geschrieben und anschließend in dem Bereich als Software-Berater gearbeitet. Erst angestellt, dann freiberuflich. Ich habe in der Zeit viele Unternehmen von innen kennengelernt und festgestellt, dass es auf der einen Seite Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, die sehr viel Arbeit und Zeit investieren, um ihr berufliches Fachwissen zu dokumentieren und zu speichern. Auf der anderen Seite gibt es Kolleginnen und Kollegen, die genau dieses Wissen bräuchten, aber nicht finden bzw. gar nicht wissen, dass es im Unternehmen existiert. Während meines anschließenden Masterstudiums an der TH Köln in Web-Science habe ich dann das Konzept der sogenannten Graphdatenbank oder auch Knowledge-Graph kennengelernt. Dabei geht es um das Speichern von Informationen in einer Art Mindmap. Das ist eine Struktur, die für den Menschen gut nachvollziehbar ist, die aber auch sehr gut in einer Software dargestellt werden kann. Das war im Grunde wie ein Aha-Erlebnis: Ich hatte das fehlende Puzzleteil gefunden, nach dem ich immer gesucht hatte.

Für die Entwicklung des Tools und die Gründung der KiaB UG haben Sie dann Mitstreiter an Bord genommen.

Klaßen: Ja, wir sind zu dritt. Patrick Bala kümmert sich um die Managementthemen und betreibt aktuell viel User Research. Er promoviert außerdem gerade in Volkswirtschaft. Till Hoffmann ist unser Technologie-Allrounder, der das Tool letztlich programmiert und sein ganzes Wissen da reingesteckt hat. Und meine Aufgabe ist die Vermarktung und Einführung unserer Software bei den Kunden. So ergänzen wir uns ganz gut.

Sie haben erst im März 2023 die KiaB UG gegründet. Das bedeutet, Sie werden immer noch tatkräftig durch das Gründungszentrum Gateway an der TH Köln unterstützt?

Klaßen: Ja, und dafür sind wir auch sehr dankbar. Das Thema Förderung spielt dabei zum Beispiel eine ganz wichtige Rolle. Der Kühlschrank zuhause muss ja schließlich gefüllt und die Miete gezahlt werden. Zum Glück konnten wir durch das Gründerstipendium NRW unseren Lebensunterhalt sichern und uns somit auf unsere Gründungsvorbereitungen und die Entwicklung unseres Tools konzentrieren. Die Beantragung des Förderprogramms ist allerdings etwas knifflig. Da muss man sich mit allen möglichen behördlichen Prozessen auseinandersetzen. Wir waren daher sehr froh, dass uns die Kolleginnen und Kollegen vom Gateway dabei sehr geholfen haben.

Genauso wie beim EXIST-Gründungsstipendium, das wir im Anschluss beantragt haben. Auch dabei wären wir beim Antragsverfahren ziemlich verloren gewesen, wenn wir nicht tatkräftig vom Gateway unterstützt worden wären.

Was heißt: Sie wären verloren gewesen?

Klaßen: BeimEXIST-Gründungsstipendium geht es ja nicht nur darum, dass jede Gründerin und jeder Gründer einen gewissen Betrag pro Monat bekommt, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Darüber hinaus erhält man auch ein Budget, um zum Beispiel externe Beraterinnen und Berater zu finanzieren oder Hardware einzukaufen. Es ist aber nicht so, dass man da einfach Material bestellen kann und danach die Rechnung einreicht, denn neben dem Projektträger ist auch die Hochschule in den Einkaufsprozess involviert. Dabei muss man eine Reihe von Formalien einhalten. Es ist zwar nachvollziehbar, dass der Fördergeber diese Informationen haben möchte, aber man muss sich einfach darauf einstellen, dass doch ein gewisser Aufwand damit verbunden ist. Ohne die Unterstützung vom Gateway hätten wir uns da sehr schwergetan.

Das Gateway vermittelt in seinen Veranstaltungen auch jede Menge Gründungs-Know-how. Inwiefern haben Sie davon profitiert?

Klaßen: Es stimmt schon, es gibt jede Menge hilfreiche Veranstaltungen zu allen möglichen Themen: sei es zur Ideenfindung oder zu rechtlichen Fragen, Patentfragen oder Finanzierungsfragen. Da muss man fast schon etwas aufpassen, dass man sich bei der Fülle an Veranstaltungen nicht verliert. Anderenfalls bleibt einfach zu wenig Zeit, um an der Umsetzung seiner Idee zu arbeiten. Was wir zusätzlich sehr schätzen, sind die gut ausgestatteten Büroräume, die wir hier an der TH Köln nutzen können. Dadurch haben wir eine Büroadresse und können potenzielle Kunden einladen.

Sie sprachen vorhin von bürokratischen Anforderungen. Gab es darüber hinaus Dinge, die Sie sich einfacher vorgestellt hatten?

Klaßen: Einfacher nicht, die Herausforderung bestand eher darin, umzudenken. Man tendiert als Gründerin oder Gründer ja schnell dazu, sich zu sehr auf die eigene Idee zu fokussieren. Viel wichtiger ist aber, sich auf das Problem zu fokussieren und auf die Personen, die dieses Problem haben. Nur, weil viele Leute sagen, dass sie es toll fänden, wenn sie mit Hilfe unseres Tools alles finden würden, heißt das noch lange nicht, dass sie unser Tool auch kaufen würden. Man muss also die eine Person finden, die sich bereits intensiv mit dem Problem beschäftigt, bei der vielleicht ein gewisser Leidensdruck besteht. Ein Mitarbeiter zum Beispiel, der ein internes Wiki aufgebaut hat und sich trotzdem ärgert, dass die Kolleginnen und Kollegen ihn immer wieder fragen - obwohl die Infos ja alle im Wiki stehen. Das ist dann genau die Person, die wirklich an einer Lösung interessiert ist.

Wie haben Sie diese Personen gefunden?

Klaßen: Das ist ein laufender Prozess. Wir fokussieren uns zum Beispiel auf Wissensmanagerinnen und -manager, deren Aufgabe es ist, unternehmensinterne Wissensplattformen aufzubauen. Mit denen kommen wir meist über LinkedIn in Kontakt. LinkedIn ist aktuell unser Hauptkanal. Ich bin gerade dabei, dort ein Netzwerk mit Leuten aufzubauen, die sich mit Prozessmanagement auseinandersetzen und veröffentliche regelmäßig Content, um erstmal Präsenz zu zeigen.

Die Präsenz dürfte sich durch Ihre Auszeichnung beim „Gründungswettbewerb - Digitale Innovation“ erhöht haben. Welchen Mehrwert bietet Ihnen die Auszeichnung der Bundesregierung?

Klaßen: Zunächst einmal haben wir uns natürlich sehr darüber gefreut. Gerade wenn man als Start-up im B2B-Bereich unterwegs ist, macht man ja immer wieder die Erfahrung, dass einige potentielle Kunden doch etwas zurückhaltend sind. Es ist schließlich nicht ohne Risiko sich mit einem Start-up einzulassen, das ganz neu am Markt ist und von dem man nicht weiß, wie es sich entwickeln wird. Die erfolgreiche Teilnahme an einem bundesweit anerkannten Wettbewerb ist da natürlich sehr hilfreich und verschafft einem doch eine gewisse Öffentlichkeit. Nichtsdestotrotz muss man auf dem Teppich bleiben. So cool die Auszeichnung ist: man hat dadurch noch kein Produkt verkauft.Am Ende entscheidet der Markt darüber, ob man erfolgreich ist oder nicht.

Aber die Wettbewerbsteilnahme erhöht die Chancen, oder?

Klaßen: Definitiv. Und es bestätigt einem auch ein Stück weit, dass man auf dem richtigen Weg ist. Das darf man nicht unterschätzen. Gerade am Anfang, wenn man noch nicht weiß, wie der Markt reagieren wird. Außerdem ist das positive Feedback der Jury sehr motivierend. Das sind ja alles erfahrene Leute und wenn die sagen, dass man da tatsächlich einen innovativen Lösungsansatz entwickelt hat und einen dafür auszeichnen, ist das natürlich großartig.

Wo stehen Sie zurzeit mit Ihrem Start-up und wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?

Klaßen: Wir haben in den letzten Monaten unsere Betaversion auf Funktionalität hin getestet, und sind jetzt dabei, die Onboarding-Journey nachzuvollziehen. Das sind die ersten Minuten, in denen sich ein neuer User auf unserem Tool bewegt. Wir beobachten zur Zeit, wo der- oder diejenige klickt, wie sie oder er navigiert, um diese Onboarding-Experience dann zu verbessern.

Wie sieht es mit dem Thema Wachstum aus?

Klaßen: Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, einen großen Kredit aufzunehmen oder eine Finanzierungsrunde zu starten, um auf Teufel komm raus zu wachsen. Uns ist es wichtiger, erst einmal den perfekten Use Case weiter zu präzisieren. Wir testen dafür verschiedene Anwendungsfälle und suchen den optimalen Spot, mit dem wir dann ins Wachstum gehen werden.

Sie sind noch nicht lange am Markt, haben aber schon einiges erlebt als Gründungsteam. Haben Sie vielleicht den einen oder anderen Tipp parat für andere Gründungsinteressierte?

Klaßen: Mir ist aufgefallen, dass es in den vielen Gründungsveranstaltungen, die es an der Hochschule gibt, meist um die Entwicklung von Ideen geht, nach dem Motto: Ich habe eine Idee, die finde ich cool. Die schlage ich anderen Leute vor und hoffe, dass die die auch cool finden. Das ist natürlich ganz schön und sorgt vielleicht auch für eine schnelle Bestätigung. Meiner Erfahrung nach führt dieser Fokus auf die Idee aber nicht unbedingt weiter. Viel wichtiger ist meines Erachtens, den Fokus auf das Problem und auf die konkrete Person zu setzen, die das Problem hat. Statt alle möglichen Leute anzusprechen oder in einem 20-Minuten-Termin 15 Minuten lang seine eigene Idee vorzustellen, ist es viel sinnvoller 15 Minuten einer Person zuzuhören, die das Problem hat, das ich lösen möchte. Nachvollziehen zu können, wie diese Person das Problem Schritt für Schritt löst und dann zu überlegen, wie eine bessere Lösung aussehen könnte - das ist das Entscheidende. Vielleicht stellt sich bei dem Gespräch auch heraus, dass die Person mit ihrer eigenen Lösung ganz zufrieden ist und gar kein Problem hat. Dann ist es auch okay. Aber dann weiß ich, dass außer einem netten Feedback auch nicht mehr drin ist. Da kann ich noch so eine tolle Idee haben.

Das heißt, Sie plädieren für etwas mehr Problembewusstsein und weniger Euphorie, was die eigene Gründungsidee angeht?

Klaßen: Genau. Das kommt vielleicht auch auf den Charakter an. Ich bin jemand, der viele Ideen hat und dann auch gerne darüber spricht. Man fährt aber glaube ich besser damit, sich auf das Problem des Gegenübers zu konzentrieren, statt nur auf die eigene Idee. Auf die eigene Idee fokussiert man sich so oder so schon noch genug.

Weitere Informationen:

KiaB UG (haftungsbeschränkt)

Stand: Juli 2023

Die TH Köln hat in den vergangenen Jahren ihre Sensibilisierungs- und Unterstützungsangebote für Gründungsinteressierte ausgebaut.