„Wir haben sogar einen unserer ersten Kunden über TecUP akquirieren können. Das sind Start-ups, die ebenfalls über den Gründungsservice der Uni Paderborn betreut wurden.“

Alexander Pöhler, Xiaojun Yang und ihr Team
© Alexander Pöhler

Wie können nur gering ausgelastete Produktionsanlagen genutzt werden? Diese Frage hat man sich am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn gestellt und in langjähriger Forschungsarbeit eine dezentrale Produktionssteuerung mitsamt Produktionsplattform entwickelt, mit der ungenutzte Produktionskapazitäten automatisiert anderen Unternehmen angeboten werden können. Maßgeblich daran beteiligt waren die Ingenieurin Xiaojun Yang und der Ingenieur Alexander Pöhler. Sie haben im April 2021 die  assemblean GmbH gegründet und werden auf ihrem Gründungsweg von TecUp, dem Technologie- und Existenzgründungscenter der Universität Paderborn begleitet.

Frau Yang und Herr Pöhler, Sie haben zusammen mit Ihren Kolleginnen und Kollegen eine Plattform für Produktions- und Montagedienstleistungen entwickelt. Um was geht es dabei genau?
Yang: Es geht um die Verzahnung der Themen automatisierte Produktionssteuerung und Manufacturing as a Service. Die Idee ist hierbei, dass wir Unternehmen mit unserer Produktionssteuerung ausstatten. Das bedeutet einfach gesagt: Wir schließen einen Industriecomputer mit unserer Software zum Beispiel an eine Fräs- oder Drehmaschine an und die Maschinen kommunizieren untereinander, welcher Auftrag als nächstes ausgeführt werden soll. Sollte das Unternehmen nun freie Produktionskapazitäten haben, bieten wir diese auf einer Plattform an. Dadurch können wir ein großes Spektrum an Produktionsverfahren zu einem sehr guten Preis anbieten. Über unsere Plattform bieten wir diese Produktionsdienstleistungen – welche von der Beschaffung des Rohmaterials über die Fertigung bis hin zur Montage und zum Versand des Produkts reichen – dann anderen Unternehmen an.

Pöhler: Das Angebotsspektrum reicht dabei von einzelnen Bauteilen über Baugruppen bis hin zum vollständigen Produkt. Um diese Full-Service-Dienstleistungen anbieten zu können, haben wir drei eigene Produktionsstätten in Shanghai und Yantai. Da können wir für unsere Kunden sogar eigene Produktionsstraßen hochziehen. Darüber hinaus arbeiten wir mit derzeit über 100 Produktionspartner in der gesamten Welt zusammen.

Wie kann man sich das konkret vorstellen?
Pöhler: Angenommen, ein Unternehmen hat einen neuen Elektromotor entwickelt und möchte diesen nun herstellen. Der Elektromotor hat vielleicht 20, 30 Komponenten wie Rotor, Stator, Gehäuse usw. Das Unternehmen muss anschließend entweder eine eigene Produktion für all diese Komponenten aufbauen oder geeignete Lieferanten finden. Dieser Prozess dauert sehr lang und eine eigene Produktion aufzubauen ist sehr kostenintensiv. Für einzelne Komponenten und Fertigungsverfahren gibt es hier bereits Plattformen, wo ich meine Komponente hochladen kann und dann automatisiert ein Angebot erhalte. Für komplexe Produkte und für die Montage existiert so etwas derzeit jedoch nicht.

Yang: Und hier kommen wir ins Spiel: Wir bieten nicht nur Produktionsdienstleistungen für 3D-Druck und einzelne Komponenten an, sondern übernehmen den gesamten Produktionsprozess. Das Unternehmen lädt dazu zunächst alle Produktdaten hoch und erhält dafür ein Kostenangebot. Nach der Auftragserteilung wickeln wir dann die gesamte Produktion von A bis Z ab, indem wir freie Produktionskapazitäten in einem unserer Partnerunternehmen oder eine unserer Produktionsstrecken in China nutzen. Im Endeffekt ermöglich wir dadurch den Unternehmen, ihr Produkt komplett außer Haus anzufertigen. Im Ergebnis hat das Unternehmen dadurch weniger Kosten und die Fertigstellung erfolgt im Vergleich schneller.

Das Verfahren ist an der Universität Paderborn entstanden. In welchem Kontext?
Pöhler: Wir haben am Heinz-Nixdorf-Institut gearbeitet und im Rahmen der Arbeit in der Fachgruppe „Produktentstehung“ unter Leitung von Professorin Iris Gräßler zu dezentralen Produktionssteuerungen geforscht. Dazu gehörte auch die Frage, wie man die Auslastung der Produktion erhöhen kann. Dabei wurde deutlich, dass viele Produktionskapazitäten, insbesondere von Vorfertigungsanlagen, heute ungenutzt bleiben.

Xiaojun Yang und ich hatten daher die Idee, ein Unternehmen zu gründen und Steuerungssysteme zu entwickeln, mit denen wir bestehenden Anlagen ausrüsten können. Diese Steuerungssysteme kommunizieren anschließend miteinander, um anschließend automatisiert die Produktionssteuerung zu übernehmen. Über diese Steuerungssysteme erfolgt dann die Auftragssteuerung im Betrieb und wir können freie Produktionskapazitäten identifizieren und über unsere Plattform anbieten.

Yang: Bis zur automatisierten Steuerung der Produktion ist es allerdings noch ein langer Weg. Unsere Steuerungssysteme laufen derzeit parallel zum eigentlichen Betrieb. Wir sind gerade dabei, die Plattform aufzubauen, also den Kunden eine Möglichkeit zu geben Ihre Produkte online zu stellen. Gleichzeitig entwickeln wir das Thema Produktionssteuerung ständig weiter.

Sie sagen, es ist ein langer Weg. Ihr Begleiter ist dabei TecUp, das Technologie- und Existenzgründungscenter der Universität Paderborn. Wie sieht die Unterstützung aus?
Pöhler: Über TecUp stehen einem sehr viele Angebote offen: Vorlesungen, Workshops und Austausch mit dem Team, z. B. für allgemeines Feedback zur Gründungsidee. Man hat immer einen Ansprechpartner, der einem weiterhilft. Für uns lag die größte Unterstützung bislang in der Akquise und Beantragung von EXIST-Forschungstransfer. Sehr gut war auch das Feedback von Fachleuten zu unserem Geschäftsmodell, so dass wir uns bei der weiteren Entwicklung eng am Markt und der unternehmerischen Praxis orientieren konnten. Wir haben sogar unsere ersten Kunden über TecUp akquirieren können. Das sind Start-ups, die ebenfalls über den Gründungsservice der Uni Paderborn betreut wurden.

Wie sah es aus mit Kontakten zu Branchenkennern und Vertretern aus etablierten Unternehmen?
Yang: TecUp macht das sehr stark und bietet sehr viele Workshops mit Unternehmerinnen und Unternehmern an, von deren Feedback man sehr profitiert. Ich muss dazu sagen, dass wir aufgrund unserer Forschungsarbeit bereits vor unserem Kontakt zu TecUp Partner aus der Industrie hatten. Deswegen war das nicht so unser Fokus. Ein paar der erfolgreichsten Ausgründungen in Paderborn sind aber aus Workshops von TecUp hervorgegangen.

Gab es denn im Verlauf Ihrer Gründungsvorbereitungen besondere Hürden?
Pöhler: Unsere Geschäftsidee, die ja letztlich mein Promotionsthema war, konzentrierte sich anfangs ausschließlich auf die Umsetzung dezentrale Produktionssteuerung. Wir hatten uns dann relativ früh auf Partner in China fokussiert. China war für uns vor allem deshalb interessant, weil es mehr Raum zum Experimentieren bot und praktisch den Start „auf der grünen Wiese“ ermöglichte. Das war für unsere dezentrale Produktionssteuerung ideal. In Deutschland muss man dagegen eine von Anfang an perfekt funktionierende Lösung anbieten. Während man in China eher die Möglichkeit hat, gemeinsam etwas aufzubauen.

Yang: So sah jedenfalls unser Plan Anfang 2020 aus, als Corona in Deutschland noch gar kein Thema war. Aber mit dem Auftreten der Pandemie mussten wir umschwenken. Eine Optimierung der Produktion war anschließend für die meisten Partner kein dringendes Thema mehr. Letztendlich haben wir glaube ich, die Hürde ganz gut gemeistert. Aber es gab natürlich eine Vielzahl an Anpassungen und Änderungen, die wir machen mussten, um dahinzukommen, wo wir jetzt sind. Auch dabei hat uns der Austausch mit TecUp sehr geholfen.

Wie soll es weitergehen? Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?
Pöhler: Für uns geht es jetzt darum, richtig durchzustarten. Wir wollen unsere Plattform für externe Kunden öffnen. Bisher kamen unsere Kunden hauptsächlich über persönliche Kontakte bzw. unser Netzwerk. Das gilt es nun zu erweitern.

Zu guter Letzt: Haben Sie noch einen Tipp für andere Gründungsteams auf Lager?
Yang: Neben TecUp kann ich auch den Kontakt zur Industrie- und Handelskammer empfehlen, zum Beispiel wenn es um Import-Export-Fragen und die damit verbundene rechtliche Unterstützung geht. Überhaupt gibt es viele Institutionen in Deutschland, die einen unterstützen wollen. Die sollte man einfach anrufen. Unsere Erfahrung ist, dass Gründerinnen und Gründern gerne weitergeholfen wird.

Stand: August 2021