„Wir hatten dank der garage 33 die Chance, uns auf der Hannover Messe auf dem OWL-Gemeinschaftsstand zu präsentieren.“
Ohne das Internet of Things (IoT) sind industrielle Prozesse heutzutage kaum noch denkbar. Dabei steht IoT für die Vernetzung von Geräten, wie Sensoren, Steuerungen, Pumpen oder Pressen, die sowohl untereinander als auch mit speziellen Datenplattformen Informationen austauschen. Es gibt allerdings zwei Haken bei der Sache: Zum einen ist das Einrichten der Geräte mit IoT-fähiger Software zeitaufwändig. Zum anderen entspricht der Datenaustausch nicht immer den aktuellen IT-Sicherheitsstandards. Das möchten Sven Uthe und Christoph Milder mit ihrer Technologie ändern. Das DEVITY-Team hat mit Unterstützung der garage33 im Technologietransfer- und Existenzgründungs-Center der Uni Paderborn (TecUP) im Jahr 2021 den Sprung in den Markt geschafft.
Herr Milder, Sie bieten gemeinsam mit Ihrem Co-Founder Sven Uthe eine Software an, die verschlüsselte Datenkommunikation zwischen industriellen Geräten einfacher gestaltet. Um was geht es genau?
Milder: In der industriellen Produktion sind Maschinen, Sensoren und Steuerungen eng miteinander vernetzt. Dabei werden Daten an spezielle Datenplattformen, wie zum Beispiel Leitsysteme oder Clouds übermittelt. Diese sogenannten IoT-Plattformen speichern die Daten und stellen sie anderen Geräten oder Systemen zur weiteren Verwendung zur Verfügung. Dabei sind zwei Dinge entscheidend: Zum einen muss das Gerät für den Einsatzzweck vorbereitet werden. Dazu werden die einzelnen Geräte – also Sensoren, Steuerungen usw. – mit Applikationen, Software und Konfigurationen ausgestattet, die sicherstellen, dass die Geräte reibungslos funktionieren und mit der passenden Datenplattform „verheiratet“ werden. Zum anderen darf die Datenübertragung stabil und nicht manipulierbar sein. Oftmals werden diese Systeme ja nicht nur innerhalb eines Produktionsstandorts angewandt, sondern auch zwischen mehreren Orten.
Und was ist das Problem dabei?
Milder: Bislang muss jedes Gerät, das mit einer Datenplattform verbunden werden soll, manuell durch eine Fachkraft konfiguriert und installiert werden. Das kann bis zu 20 Minuten pro Gerät dauern. Damit übersteigen die Installationskosten oftmals die Kosten der reinen Hardware. Hinzu kommt, dass es nicht selten am notwendigen Know-how fehlt, um alle IT-Sicherheitsanforderungen zu erfüllen. Eine Studie der RWTH Aachen und Fraunhofer FKIE von 2020 zeigt beispielsweise, dass 92 Prozent aller Industriegeräte unsicher konfiguriert sind. Das ist besonders erschreckend, wenn man weiß, dass solche Geräte bzw. Systeme auch in der kritischen Infrastruktur, wie beispielsweise in Wasser- oder Elektrizitätswerken eingesetzt werden.
Es gibt also zwei Probleme: Es braucht sehr viel Zeit, um die Geräte zu konfigurieren und gleichzeitig wird der IT-Sicherheit zu wenig Beachtung geschenkt.
Milder: Richtig. Wir haben daher die Software KEYNOA entwickelt, die die Konfiguration der Geräte wesentlich effizienter und kostengünstiger gestaltet. Dazu werden Geräte bereits während des Herstellungsprozesses mit einer eindeutigen digitalen Identität ausgestattet. Bei der Installation am Einsatzort erhalten die Geräte dann die notwendigen Applikationen, Software und Konfigurationen für ihren Einsatz von KEYNOA. Diese Vorgaben hat zuvor ein IT-Administrator zentral für alle Geräte definiert. Eine manuelle Konfiguration durch eine Fachkraft vor Ort ist nicht mehr notwendig. Auch die sichere Verbindung mit der jeweiligen Datenplattform erfolgt selbstständig. Wenn ein Produktionsunternehmen also zum Beispiel 100 Sensoren kauft, die mit digitalen Identitäten versehen sind, verbindet sich jedes der Geräte nach dem erstmaligen Einschalten automatisch mit unserer Software und erhält verschlüsselt alle notwendigen Informationen für den Betrieb. Gleichzeitig unterstützt unsere Software den jeweiligen Betreib bei weiteren Aufgaben wie beispielsweise der Verifizierung von Updates und der Erneuerung von Identitäten, damit verschlüsselte Verbindungen sicher bleiben.
Und wie sieht es mit dem Thema IT-Sicherheit aus?
Milder: Das ist der zweite zentrale Mehrwert unserer Lösung. Da jedes Gerät eine eigene digitale Identität besitzt, lässt es sich eindeutig und sicher identifizieren. Dadurch wird die Geräteintegrität und somit das Vertrauen innerhalb der Wertschöpfung gestärkt. Zudem sorgen wir mit unserer Software dafür, dass die Servicetechnikerinnen und -techniker keinen Zugriff mehr auf sensible Infrastrukturen haben müssen, um ein Gerät zu einem Netzwerk hinzuzufügen oder auszutauschen. Das ist vor allem nützlich, wenn externe Unternehmen die Installation übernehmen oder kein Experte vor Ort ist. Beispielsweise auf einem Schiff oder nachts in der Produktion.
In welchem Kontext ist die Idee entstanden?
Milder: Sven ist Informatiker und war vor der Gründung von DEVITY am Lehrstuhl für Rechnernetze der Uni Paderborn beschäftigt. Anschließend hat er in einem Unternehmen für IoT-Komplettlösungen gearbeitet und gesehen,, dass die IT-Sicherheit oftmals zu kurz kommt. Auch mehrere Bekannte, die in der industriellen Automatisierung arbeiten, schilderten ihm, dass wichtige grundlegende IT-Sicherheitsmethoden kaum Verwendung finden. Da Sven sich schon seit der 7. Klasse mit Kryptographie und IT-Sicherheit beschäftigt, war sein Ehrgeiz geweckt, eine Lösung zum verbesserten Zugang zu IT-Sicherheit für jeden Nutzer im IoT zu finden. Daraus ist dann die Idee für KEYNOA entstanden.
Kennengelernt haben sie sich in der garage 33 im TecUP?
Milder: Ja, Sven hatte dort schon einige Workshops besucht und festgestellt, dass er noch einen Betriebswirt an Bord braucht. Er hat dann über die AStA Jobbörse eine Stellenanzeige geschaltet und ich habe mich gemeldet. Nachdem wir nach ein paar Gesprächen gemerkt haben, dass „die Chemie“ zwischen uns stimmt, haben wir uns als Gründungsteam zusammengetan.
Und wie sah die weitere Unterstützung durch die garage 33 aus?
Milder: Zunächst einmal haben wir sehr vom Netzwerk der garage 33 profitiert. Wir haben zum Beispiel Kontakte zu Industrieunternehmen erhalten, mit denen wir über denkbare praxisorientierte Lösungen sprechen konnten. Auch die komplette Ideenentwicklung wurde durch das Team der garage 33 begleitet.
Beim Gründerstipendium NRW und bei Start-up-Transfer wurden wir jeweils bei der Antragstellung und anschließend auch administrativ unterstützt. Bei Start-up-Transfer zum Beispiel wird man als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule beschäftigt. Das war in unserem Fall der Lehrstuhl für International Business von Professor Rüdiger Kabst. Die Kolleginnen und Kollegen dort haben uns u.a. bei der Rechnungslegung, den Bestellprozessen und der Personalabwicklung geholfen, so dass wir uns vollständig auf die Entwicklung unserer Technologie und unseres Geschäftsmodells konzentrieren konnten. Und über die garage33 steht uns ein Coach zur Verfügung mit dem wir regelmäßig die Meilensteine der Woche sowie die Quartals- und Jahresziele überprüfen.
Wo stehen Sie jetzt mit Ihrem Start-up?
Milder: Wir sind seit 2021 am Markt und haben ein internationales Team mit neun Mitgliedern aufgebaut. Wir pflegen eine transparente und wertschätzende Unternehmenskultur, bei der sich die einzelnen Teammitglieder gegenseitig unterstützen. Außerdem erhalten wir derzeit ein sehr positives Feedback von Geräteherstellern und Integratoren. Gleichzeitig wird unsere Expertise im Bereich der IoT-ID-Protokolle von Betreibern geschätzt. Das ist alles in allem einfach ein tolles Gefühl.
Das heißt, Sie haben bereits Kunden?
Milder: Ja, wir haben Pilotprojekte mit verschiedenen Geräteherstellern abgeschlossen und erarbeiteten momentan gemeinsam mit den Kunden Lizensierungsmodelle aus. Darüber hinaus kooperieren wir mit namhaften Integratoren, also Unternehmen, die Software und Systeme für Kunden zusammenstellen, sowie Zulieferer von Industriesoftware und Cloud-Providern.
Wie sind Sie bei der Kundenakquise vorgegangen?
Milder: Wir haben mit Hilfe der garage33 Methoden kennengelernt, wie man beispielsweise über LinkedIn oder über Cold Calls potenzielle Interessenten auf sich aufmerksam machen kann. Wichtig ist dabei, vorab seine Zielgruppe zu definieren und nicht wahllos vom Kamera- über Ladesäulenhersteller bis zum Maschinenbauer alle denkbaren Kunden zu kontaktieren. Besser ist, sich auf eine bestimmte Zielgruppe zu konzentrieren, deren wiederkehrenden Probleme zu identifizieren und sein Produkt darauf auszurichten.
Gab es auch Herausforderungen, die Sie unterschätzt haben?
Milder: Das Thema IT-Sicherheit ist ein sehr sensibler Bereich. Von daher war es für uns anfangs nicht einfach, das Vertrauen der Unternehmen zu gewinnen. Wir hatten natürlich mit der garage 33 und mit der Universität Paderborn gute Referenzen. Dennoch: Wenn man als Start-up-Gründer einem großen etablierten Unternehmen vorschlägt, seine Strukturen sowie das Produkt selbst gemäß den IT-Sicherheitsstandards anzupassen, trifft man natürlich erst einmal auf eine gewisse Skepsis.
Gibt es auch etwas, das überraschend positiv war?
Milder: Auch wenn sie langwierig sein kann, sind wir mit der bisherigen Kundenakquise sehr zufrieden. Dazu beigetragen hat sicherlich auch unsere Teilnahme an der Hannover Messe. Zweimal hatten wir dank der garage 33 die Chance, uns auf dem OWL-Gemeinschaftsstand zu präsentieren und vielversprechende Kontakte zu knüpfen. Was uns natürlich auch sehr freut, ist, dass unsere Technologie als sehr hilfreich angesehen wird. Das heißt, der Mehrwert, den wir uns für die Unternehmen erhofft haben, hat sich bestätigt. Insgesamt konnten wir dadurch schon wichtige Akzente setzen und eine gute Reputation aufbauen.
Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?
Milder: Wir sind gerade dabei, unsere Technologie in Kooperation mit großen Geräteherstellern zu testen und weiterzuentwickeln. Wir beginnen jetzt auch damit, Geräte, die mit unserer Technologie ausgestattet sind, tatsächlich in den Produktionsprozess zu integrieren. Auch die GmbH-Gründung ist für uns gerade ein Thema. Außerdem wollen wir unser Team aufstocken.
Sie sagten vorhin, Start-up Transfer.NRW sei ausgelaufen. Wie finanzieren Sie sich zur Zeit?
Milder: Um den laufenden Betrieb zu finanzieren, erzielen wir bereits ausreichend Einkünfte. Und um unser weiteres Wachstum zu ermöglichen, starten wir in Kürzeeine Finanzierungsrunde.
Welche Tipps können Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen anderen Gründerinnen und Gründern geben?
Milder: Da gibt es eine ganze Menge: Erstens, auf jeden Fall sehr schnell rausgehen und das Produkt beim Kunden testen. Zweitens, ein Netzwerk aufbauen und schnell ins operative Doing kommen. Drittens, geeignete Coachingangebote in Anspruch nehmen und sich mit anderen Gründerinnen und Gründern austauschen. Letztere stehen meist vor ganz ähnlichen Herausforderungen, sind aber womöglich schon ein Stück weiter. Und viertens: Personen identifizieren, die einem wirklich weiterhelfen. Also zwei, drei Mentorinnen oder Mentoren für die technische Entwicklung, den Netzwerkaufbau und das Business Development hinzuziehen und am besten ein Advisory Board aufbauen.
Weitere Informationen:
Stand: Juli 2023
Die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW fördert das Exzellenz Start-up Center Ostwestfalen-Lippe (ESC.OWL) an der Universität Paderborn.
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