„Die Coaches von EnableUS haben wirklich gute Arbeit geleistet.“

Cagdas Günes und Yasin Derim
© GreenDeal GbR

Wie bringt man Verbraucherinnen und Verbraucher dazu, beim täglichen Einkauf ökologisch nachhaltige Produkte zu bevorzugen? Indem man sie dafür belohnt, dachte sich Yasin Demir. Zusammen mit seinem Co-Founder, dem Wirtschaftsinformatiker Cagdas Günes, hat der Betriebswirt ein Bonusprogramm entwickelt, das zu einem umweltfreundlicheren Einkauf motivieren soll. Trotz einiger Herausforderungen haben die beiden mit ihrer App GreenDeal einen erfolgreichen Start hingelegt. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt die Betreuung durch das Projekt enableUS des Entrepreneurship Centers an der Universität Siegen.

Herr Demir, Sie bieten ein Bonusprogramm für den Einkauf ökologisch nachhaltiger Produkte an. Wie funktioniert das Programm?

Demir: Zunächst einmal benötigt man dazu unsere App. Dort befindet sich eine Liste der Geschäfte, in denen man beim Einkauf Bonuspunkte sammeln kann. Bei den Geschäften handelt es sich um Bioläden, Hofläden etc., die mit regionalen Bioprodukten handeln, oder um Secondhand-Läden für Kleidung und Möbel. Die befinden sich alle hier im Raum Siegerland und Sauerland. Wer in diesen Geschäften mit unserer App einkauft, kann an der Kasse einen QR-Code scannen und erhält dann Bonuspunkte, die für Freizeit- oder Kulturaktivitäten vor Ort eingelöst werden können.

Für welche Aktivitäten zum Beispiel?

Demir: Das ist ganz unterschiedlich von Stand-up-Paddling über Escape Rooms bis hin zu Museumsbesuchen. Dabei achten wir bei der Auswahl auch auf das Thema Nachhaltigkeit,wenn auch nicht so streng wie bei der Auswahl der Geschäfte. Aber so etwas wie Kart-Fahren oder energieintensive Hallenbäder haben wir nicht im Programm.

Wie messen Sie denn die Nachhaltigkeit bei den Einzelhändlern mit denen Sie kooperieren?

Derim: Der wichtigste Maßstab ist die Kennzeichnung mit einem der bekannten Label. Ein weiterer Punkt ist die Regionalität. Einige Kundinnen und Kunden bevorzugen Bioartikel, andere setzten eher auf regionale Ware – wobei das nicht unbedingt ein Widerspruch sein muss. Zugegeben, das Ganze zu bemessen, ist sehr schwer. Wir können die Lieferketten nicht vollständig nachverfolgen und auch nicht bei jedem Produkt genau sagen, wie viel Wasser bei der Produktion verbraucht wurde oder wie viel CO2 ausgestoßen wurde. Im Grunde geht es darum, dass wir Kundinnen und Kunden dazu motivieren möchten, sich beim Einkauf für die im Vergleich zu anderen Produkten nachhaltigere Variante zu entscheiden.

Wie reagieren denn die Händlerinnen und Händler auf Ihr Kooperationsangebot?

Demir: Inzwischen ist die Bereitschaft, sich in unserer App listen zu lassen, sehr groß. Es hat sich gezeigt, dass das Bonusprogramm von den Kundinnen und Kunden gut angenommen wird, sodass auch immer mehr Läden darauf aufmerksam werden. Die einzige Hürde ist derzeit die Generierung des QR-Codes an der Kasse. Momentan müssen die Angestellten den Warenwert und die Punkte noch händisch eingeben. Wir arbeiten daher gerade an einer automatisierten Lösung und haben bereits Zusagen von Einzelhändlern, die sofort mit dabei sind, sobald die Technik steht.

Bewerben Sie die App auch oder ist die ein Selbstläufer?

Demir: Nein, wir sind natürlich in den digitalen Medien aktiv und berichten dort immer wieder über die Erfahrungen mit dem Bonusprogramm. Viel wichtiger ist aber der direkte Austausch mit den Kundinnen und Kunden. Wir sind daher oft mit einem kleinen Stand in den Geschäften präsent und fragen die Kundinnen und Kunden, ob unsere App interessant für sie sein könnte, was sie sich wünschen, wofür sie die Punkte gerne einlösen würden usw. Wir holen uns da eigentlich laufend wichtiges Feedback.

Wie und wo generieren Sie für sich einen Umsatz?

Demir: Die Punkte, die an die Kundinnen und Kunden ausgegeben werden, haben natürlich einen entsprechenden Gegenwert. Pro ausgegebenen Euro gibt es zwei Punkte. In dem Moment, wo die Punkte eingelöst werden, beispielsweise im Museum, verbleibt ein bestimmter prozentualer Anteil bei uns als Provision. Darüber hinaus erzielen wir Werbeeinnahmen, indem wir den kooperierenden Händlern anbieten, auf unserer App Werbung zu schalten.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Demir: Beim Abendessen mit meinem Papa. Wir unterhielten uns gerade über das Thema Nachhaltigkeit als parallel im Fernsehen ein Werbespot lief, in dem ein großer Lebensmittelhändler die Zuschauerinnen und Zuschauer dazu aufforderte, einen eigenen Einkaufsbeutel mitzubringen – anstatt an der Kasse zur Plastiktüte zu greifen. Dafür gab es dann irgendein kleines Produkt kostenlos als Dankeschön. In dem Moment stellte ich mir die Frage, warum man nicht generell nachhaltiges Einkaufen belohnen könnte. Und so kam die Idee langsam ins Rollen. Die Frage war dann natürlich, wie sich das technisch umsetzen lässt. Welche Art von „Belohnung“ spricht die Leute an? Usw. Irgendwann hatte ich dann die Idee mit den Kultur- und Freizeitangeboten. Die hat auch den Charme, dass alles innerhalb einer Region bleibt.

Und dann sind Sie zum Entrepreneurship Center an der Uni Siegen gegangen?

Demir: Ja, und das war mit Sicherheit die beste Entscheidung meines Lebens. Ich habe gesagt, so und so sieht die grobe Idee aus, können wir uns mal zusammensetzen, ich würde mir gerne eine Meinung einholen. Ich bekam dann kurzfristig einen Termin mit einer Coachin, mit der ich ein bisschen über die Idee gebrainstormt habe. Und dann ging es zügig weiter. Ich habe an Workshops teilgenommen – das Angebot nutze ich übrigens immer noch – und an meiner Idee gefeilt, meinen Businessplan vorbereitet, erfolgreich ein Gründungsstipendium NRW beantragt und mich immer wieder mit meiner Coachin getroffen.

Das Coaching hat Ihnen geholfen?

Demir: Das war wirklich Gold wert, vor allem, weil ich mir anfangs die Gründung eines Start-ups viel einfacher vorgestellt hatte. Ich dachte, meine Idee sei so genial, da kann jeder nur gewinnen, so dass es für niemanden einen Grund gibt, nein zu sagen. Aber so einfach war es dann doch nicht. Ich kam sogar an den Punkt, wo ich mich gefragt habe, ob ich überhaupt weitermachen soll. In den Zeiten habe ich das Coaching unfassbar geschätzt, weil ich jemanden an der Hand hatte, der einfach schon mehr Erfahrung hatte und einem Mut machte.

Was war denn die größte Herausforderung, mit der Sie nicht gerechnet hatten?

Demir: Ganz klar: Der Vertrieb. Wir – mein Co-Founder Cagdas war inzwischen auch an Bord – wollten uns zunächst einen Eindruck darüber verschaffen, wie der Markt eigentlich aussieht und haben Bioläden, Hofläden, Secondhand-Läden, Dritte-Welt-Läden, Unverpacktläden usw. hier in der Region Siegerland und im Sauerland gefragt, wer dort einkauft bzw. wie es überhaupt mit der Nachfrage aussieht. Wir sind einfach in die Geschäfte gegangen und haben gefragt, ob die Geschäftsführung Zeit für eine kleine Umfrage hat. Die Reaktionen darauf waren immer sehr positiv. Da gab es niemanden, der gesagt hat, nein, jetzt passt das nicht.

Aber dann lief es doch nicht so glatt?

Demir: Leider nicht. Als die erste Version unserer App fertig war und wir wieder auf die Läden zugegangen sind mit der Erwartung, dass jetzt alle mitmachen würden, erhielten wir eine Absage nach der anderen. Da überwog einfach die Skepsis gegenüber so einem ganz neuen Angebot. Die meisten wollten erstmal aus sicherer Entfernung sehen, welche Erfahrungen die anderen Geschäfte mit unserer App machen. Irgendwann haben wir dann zwei Läden gefunden, die mit uns eine Testphase durchgeführt haben. Und die verlief so gut, dass schließlich nach und nach weitere Geschäfte hinzugekommen sind. Inzwischen haben wir mehr als genug Partnergeschäfte. Aber der Anfang war hart. Damit hatten wir nicht gerechnet.

Und die Kundinnen und Kunden? Wie haben die reagiert?

Demir: Die waren von Anfang an offen dafür. Wir merken auch deutlich, wenn ein neues Geschäft in unserer App gelistet ist, dass die Zahl der vergebenen Bonuspunkte direkt nach oben geht. Auch die Zahl, der Userinnen und User, die unsere App herunterladen nimmt stetig zu.

Gab es noch eine weitere Hürde, die Ihnen zu schaffen gemacht hat?

Demir: Bevor ich mich mit Cagdas zusammengetan habe, hat mir die Programmierung der App ziemlich zu schaffen gemacht. Ich hatte an der Uni Siegen Betriebswirtschaft studiert und hatte mit dem Thema Programmierung wenig am Hut. Also hatte ich vor, einen externen Dienstleister zu beauftragen. Aber als ich mich über die Kosten informierte, fiel ich fast vom Stuhl. Da wurden mir wahnsinnige Summen von 25.000 bis 100.000 Euro genannt.

Und dann kam Cagdas Güsen an Bord?

Demir: Ja, zum Glück konnte ich Cagdas als Co-Founder gewinnen. Er studiert Wirtschaftsinformatik an der Uni Siegen und hat dadurch natürlich einen ganz anderen Zugang zu all den technischen Fragen. Aber auch für ihn war die Programmierung einer App „from the scratch“ eine neue Erfahrung. Er brauchte also noch etwas Input.

Und der kam woher?

Demir: Wir hatten über das Entrepreneurship Center bzw. EnableUS an mehreren Netzwerktreffen teilgenommen. Dort hat uns unsere Coachin immer wieder mit hilfreichen Ansprechpersonen bekanntgemacht. Darüber haben wir dann auch einen App-Entwickler kennengelernt, der uns ein Tool zur Appentwicklung empfahl und meinte, dass wir es damit gut allein schaffen könnten. Und das stimmte dann auch. Aber ohne unsere Coachin hätten wir den niemals kennengelernt und wahrscheinlich viel Geld für einen Dienstleister bezahlt.

Gab es trotz aller Hürden auch Dinge, die besser gelaufen sind als gedacht?

Demir: Ja, und da muss ich wieder den Vertrieb nennen. Die Anbieter der Freizeit- und Kulturaktivitäten waren nämlich total begeistert von der Idee. Deren Gedanke dahinter war natürlich, dass die Person, die genug Bonuspunkte für diese oder jene Aktivität sammelt, sicher auch Freunde mitnehmen wird. Wer geht zum Beispiel schon allein in einen Escape Room? Für die wirkt sich die App positiv auf den Umsatz aus.

Was auch mega gut lief, war die positive Reaktion der Kundinnen und Kunden auf unsere App. Die Leute nutzen die App tatsächlich oft. Was ich auch total klasse finde, ist die Kommunikation: sei es zwischen den Usern der App oder zwischen den Usern und uns. Die sagen uns, was in der App noch besser laufen könnte, welche Freizeitaktivität noch angeboten werden sollten usw. Das läuft wirklich super. Darüber sind wir sehr froh.

Noch verdienen Sie nicht so viel, dass Sie beide Ihren Lebensunterhalt davon bestreiten können. Wie finanzieren Sie sich zurzeit?

Demir: Wir erhalten zurzeit eine Förderung aus dem Programm „Gesellschaft der Innovationen – Impact Challenge an Hochschulen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Darüber können wir zum Teil auch unseren Lebensunterhalt finanzieren. Wir haben uns jetzt für die zweite Förderrunde beworben, um unsere App massentauglich zu machen und das Bonusprogramm auch in anderen Regionen anzubieten.

Wo stehen Sie aktuell mit Ihrem Start-up?

Demir: Bisher haben wir mit einem Minimum Viable Product gearbeitet, das über die notwendigsten Funktionen verfügt. Um unsere App aber wirklich in der Breite anzubieten, müssen wir noch am Design arbeiten und noch ein paar zusätzliche Features anbieten. Daran arbeiten wir gerade.

Was würden Sie anderen Gründerinnen und Gründern raten?

Demir: Man braucht definitiv viel Durchhaltevermögen. Der Weg kann manchmal schon ziemlich steinig sein, aber wenn man eine Vision hat, wenn man einen klaren Gedanken davon hat, was man erreichen will, sollte man am Ball bleiben. Dabei ist es auch wichtig, sich helfen lassen. Da hatte ich am Anfang meine Probleme mit. Ich war immer davon überzeugt, dass mein Weg der richtige ist - aber das ist eben doch nicht immer so. Da haben die Coaches von EnableUS wirklich gute Arbeit geleistet. Und was einfach total wichtig sind Netzwerke. Man lernt auf Veranstaltungen jede Menge Leute kennen, die einem gerne weiterhelfen. Deswegen kann ich nur empfehlen: networking, networking, networking.

Stand: März 2024

Weitere Informationen:

GreenDeal GbR

Die Initiative Exzellenz-Start-up-Center NRW fördert das Projekt EnableUS der Universität Siegen.