„Das CET an der TU Dortmund hat uns von Beginn an unterstützt, unseren Traum von einer nachhaltigen chemischen Industrie voranzutreiben“.

v.l.n.r.: Maximilian Spiekermann, Jens Ehlhardt, Max Krause und Marén Schwandt
© Tobias Bucher

Pflanzenöl anstatt Erdöl. Darauf setzt das Gründungsteam von Simplyfined. Ausgangspunkt ist ein Verfahren, das Maximilian Spiekermann im Rahmen seiner Promotion an der TU Dortmund entwickelt hat. Der Clou dabei ist: Mit einem schlanken Verfahren lassen sich pflanzliche Rohstoffe für den Einsatz in der chemischen Industrie aufbereiten – als Alternative zu Erdöl. Schon jetzt übertrifft das Interesse an dem entstehenden Produkt alle Erwartungen. Höchste Zeit also, dass Maximilian Spiekermann und seine Co-Founder Max Krause,Jens Ehlhardt und Marén Schwandt mit ihrem Start-up Simplyfined an den Markt gehen. Unterstützt werden sie dabei unter anderem vom Centrum für Entrepreneurship & Transfer (CET) der TU Dortmund und chemstars.NRW.

Herr Spiekermann, Sie haben ein Verfahren entwickelt, das pflanzliche Rohstoffe aufbereitet, so dass sie in der chemischen Industrie anstelle von Erdöl eingesetzt werden können. Wie kann man sich das als Laie vorstellen?

Spiekermann: Hintergrund ist, dass in der chemischen Industrie sehr, sehr viele Produkte auf Basis von Erdöl hergestellt werden. Ob Kunststoffe, Kosmetika, Schmierstoffe oder Pharmazeutika: die meisten Produkte basieren auf Erdöl. Somit wird eigentlich gespeicherter Kohlenstoff in unbestimmter Zeit in die Atmosphäre abgegeben. Dazu möchten wir eine Alternative anbieten. Die große Herausforderung dabei ist, dass die Ansprüche der chemischen Industrie an Rohstoffe bzw. Zwischenprodukte sehr hoch sind. Das bedeutet: Die Zusammensetzung der Rohstoffe muss absolut homogen sein. Pflanzliche Öle sind aber in ihrer Zusammensetzung je nach Pflanzensorte, je nach Jahreszeit und je nach Verarbeitung sehr unterschiedlich. Und genau da setzen wir mit unserem chemischen Standardisierungsverfahren an.

Als Ausgangsprodukt verwenden wir pflanzliche Öle, die wir mit Hilfe des Verfahrens auf einen normierten bzw. homogenen Zustand bringen, der alle Voraussetzungen erfüllt, um in der chemischen Industrie eingesetzt werden zu können. Produkte des täglichen Bedarfs könnten also zukünftig, anstatt aus Erdöl oder auch Erdgas und Kohle auf Basis von pflanzlichen Rohstoffen hergestellt werden. Wobei wir uns aktuell auf Schmierstoffe, Kunststoffe und Kosmetika fokussieren. Das sind die Produktkategorien, in die wir zunächst einsteigen möchten und auch schon erste Ergebnisse sehen konnten.

Was für Pflanzen nutzen Sie für Ihr Verfahren?

Spiekermann: Für unsere Verfahren können wir praktisch jede Ölpflanze verwenden. Weder die Sorte, noch die Qualität, noch der Grad der Verarbeitung spielen eine Rolle. Das heißt, wir können zum Beispiel Überschüsse aus der Lebensmittelindustrie oder der Agrarwirtschaft verwenden. Gibt es in dem einen Jahr beispielsweise einen Überschuss an Rapsöl können wir den genauso einsetzen wie im Folgejahr zum Beispiel Sonnenblumenöl. Diese Flexibilität ist natürlich ein sehr großer Pluspunkt. Außerdem werden wir zukünftig unser Verfahren erweitern, um zum Beispiel auch Tallöl aufbereiten zu können. Dabei handelt es sich um Abfälle, die bei der Papierherstellung entstehen. Die werden – wenn überhaupt – derzeit nur für die Biodieselproduktion weiterverarbeitet.

Krause: Darüber hinaus gibt es noch viele weitere denkbare Rohstoffe, dazu zählen beispielsweise auch Algenöle, die man entsprechend aufbereiten könnte. Denkbar sind auch tierische Fette. Aktuell erproben wir z.B. ob unsere Technologie für Fette von Insekten, insbesondere Maden, einsetzbar ist. Aber das ist alles noch nicht spruchreif. Wir halten aber die Augen offen und konzentrieren uns dabei vor allem auf geeignete Abfallstoffe.

In welchem Kontext ist das Verfahren entstanden?

Spiekermann: Im Endeffekt ist die Idee die konsequente Weiterentwicklung meines Promotionsprojekts. Ich wurde im Jahr 2021 vom Lehrstuhl für Technische Chemie an der TU Dortmund eingestellt, um an der Nutzbarmachung von Pflanzenölen in homogenen katalytischen Verfahren zu arbeiten. Der Lehrstuhl hat damals schon länger an der Umsetzung von nachwachsenden Rohstoffen für komplexe Moleküle wie beispielsweise Kunststoffe oder deren Vorstufen geforscht. Mein Promotionsprojekt bestand darin, an den technischen Hürden zu arbeiten, die bei der Verwendung natürlicher Gemische entstehen. Die Lösung, die ich dann entwickelt habe, ist diese Standardisierungsreaktion. Gleichzeitig haben wir das dafür notwendige Verfahren so weiterentwickelt und verschlankt, dass es tatsächlich auch für die Industrie ökonomisch nutzbar ist und somit die breite Nutzung von Pflanzenölen ermöglicht. Alles in allem ist daraus ein Gründungsprojekt entstanden, das mit EXIST-Forschungstransfer gefördert wird.

Und die Idee, sich beruflich selbstständig zu machen, wurde vom Lehrstuhl unterstützt?

Krause: Also die Idee, sich selbstständig zu machen, ist einfach gewachsen, weil das Potential, das mit diesem Verfahren verbunden ist, unfassbar groß ist. Wir können damit ungefähr 50 Prozent der Kohlendioxidemissionen einsparen, die bislang bei der Herstellung einer Vielzahl chemischer Produkte entstehen. Das hat uns einfach sehr motiviert. Dass diese Möglichkeit aber überhaupt besteht, verdanken wir auch dem Lehrstuhl, der uns von Beginn an extrem unterstützt hat und uns neben der fachlichen Expertise auch noch Büro- und Laborflächen zur Verfügung stellt.

Wie hat das Team von Simplyfined denn zusammengefunden?

Krause: Maxi und ich kannten uns bereits privat und als er mich fragte, ob ich als Wirtschaftspsychologe das Gründungsprojekt begleiten möchte, war ich sofort dabei. Seitdem haben wir unser Team weiter aufgebaut und das Ganze vorangetrieben. Jens Ehlhardt war dann die nächste logische Ergänzung für das Gründungsteam. Auch ihn kannten wir beide schon vorher. Als Chemieingenieur mit komplementärer Ausbildung zu Maximilian hat er genau das Wissen, welches für die Steuerung und Optimierung des Prozesses benötigt wird. Zu der Zeit, in der die Gründungsidee immer weiter ausgereift ist, war Marén am Lehrstuhl für Technische Chemie als Chemielaborantin angestellt. Ihre Qualitäten haben wir sofort erkannt und wussten, dass wir mit ihr die geeignete Person für die Laborarbeit gefunden hatten. Somit war unser Team dann komplettiert.

Sie wurden vom CET – Centrum für Entrepreneurship & Transfer an der TU Dortmund bei Ihren Gründungsvorbereitungen betreut. Wie sah die Unterstützung aus?

Krause: Ich glaube, jedes Gründungsteam steht erst einmal vor dem Problem, dass nicht klar ist, welche Themen man in welcher Reihenfolge verfolgen muss. Was steht jeweils als Nächstes an? Bei der Frage hat uns das CET gleich zu Beginn sehr geholfen, indem es uns auf die From Lab to Market Challenge von chemstars.NRW hingewiesen hat. Das war für uns genau der richtige Einstieg. Die Workshops haben nicht nur für Orientierung auf dem Gründungsweg gesorgt, sondern uns auch dabei geholfen, an unserer Geschäftsidee zu feilen. Besonders gefreut hat uns natürlich, dass wir bei dem abschließenden Pitch den dritten Platz belegt haben. Zusätzlich hat uns das CET aber auch immer als Ansprechpartner zur Verfügung gestanden. So konnten wir unsere Entwicklung konstant spiegeln, mit Fachpersonen kritisch beleuchten und einige Fallstricke schon in der Entstehung umgehen. Das haben wir vor allem gemerkt, als es um die Beantragung des EXIST-Forschungstransfer ging. Damit ist ja ziemlich viel Papierkram verbunden, der auf einem hohen Niveau, sowohl wissenschaftlich als auch betriebswirtschaftlich, überzeugen muss. Insofern waren wir sehr froh, dass uns das CET da unterstützt hat. Es ist auch nach wie vor so, dass wir eigentlich mit egal welcher Frage beim CET aufschlagen können. Das betrifft auch das Thema IP-Transfer.

Bei aller Unterstützung: Gab es denn auch Hürden, die Sie bewältigen mussten?

Spiekermann: Ich würde sagen, die größte Hürde war und ist, dass die chemische, die biochemische und auch die pharmazeutische Industrie im Vergleich zu anderen Branchen ein sehr schwieriges Umfeld für Gründerinnen und Gründer bieten. Das liegt zum einen daran, dass es bei den Materialflüssen und auch den Interaktionen zwischen den Unternehmen in der Branche bzw. den Branchen wenig Raum für Veränderung gibt. Zum anderen bearbeiten sehr viele und sehr große Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette. Von der Verarbeitung des angelieferten Rohöls bis zur Fertigung von Produkten für die Endverbraucher. Das sind etablierte Prozesse. Die können nicht einfach so „über Nacht“ umgestellt werden.

Um als Start-up da überhaupt einen Fuß in die Tür zu bekommen, muss man erst einmal zeigen, dass die neu entwickelte Technologie auch tatsächlich in der Praxis funktioniert und dass es sich lohnt, eingefahrene Produktionsprozesse neu auszurichten. Voraussetzung dafür ist, dass wir unser Verfahren im industriellen Maßstab aufsetzen. Dafür braucht es ungeheuer viel Kapital. Wir haben jetzt 1,7 Millionen Euro beantragt, um unser Verfahren in den nächsten zwei Jahren weiter zu entwickeln und eine Pilotanlage zu errichten. Damit bewegen wir uns in einer geplanten Größenordnung von 250 Tonnen pro Jahr. Was sich nach viel anhört ist im Kontext der unvorstellbaren Mengen, die die chemische Industrie jedes Jahr umsetzt, jedoch sehr gering. Da geht es schnell um Produktionskapazitäten von 50.000 Tonnen und mehr. Für die Skalierung und das Derisking ist diese Größe jedoch unabdingbar. Allerdings handelt es sich dabei um einen von vielen Entwicklungsschritten.

Das Thema Finanzierung wird Sie also noch länger begleiten. Welche Lösung gibt es dafür?

Krause: Kooperationen mit etablierten Chemieunternehmen sind prinzipiell eine Möglichkeit. Dazu sind wir auch schon im Gespräch mit diversen Unternehmen.

Eine Alternative wäre, im Anschluss an EXIST-Forschungstransfer zunächst ein weiteres Förderprogramm in Anspruch zu nehmen, das speziell Deeptech-Gründungen unterstützt.

Darüber hinaus denke ich aber auch, dass uns die aktuelle Lage der chemischen Industrie in Deutschland in die Hände spielt. Die Branche steht ja bereits seit ein paar Jahre vor ziemlich großen Herausforderungen. Darauf reagiert sie auch. Die zahlreichen Accelerator-Programme, wie zum Beispiel von chemstars.NRW, dem Chemiecluster Bayern oder auch von den einzelnen Unternehmen selbst, zeigen, dass es sehr viele Bestrebungen gibt, nicht nur die chemische Industrie wieder wettbewerbsfähiger zu machen, sondern auch das Ökosystem für Start-ups zu verbessern. Davon profitieren wir natürlich. Zusätzlich gibt es von allen Unternehmen klare Nachhaltigkeitsstrategien, die wir mit unserem Prozess unterstützen können.

Man liest, dass die Unternehmen sehr positiv auf Ihr Verfahren reagieren.

Spiekermann: Ja, und zwar so positiv, dass es uns tatsächlich vor eine große Herausforderung stellt. Wir haben jetzt zwei Jahre Zeit, um die Pilotanlage zu konstruieren, womit wir vor gerade mal anderthalb Monaten begonnen haben. Schon jetzt haben wir allerdings eine so hohe Nachfrage nach Proben, dass wir mit den aktuellen Produktionsmöglichkeiten an die Grenze unserer Kapazitäten kommen. Das ist unfassbar schön für uns zu sehen, aber natürlich auch eine riesige Herausforderung.

Sie haben während ihrer Promotion ein Patent angemeldet, das derzeit der Universität gehört. Erleben Sie die Verhandlung mit der TU Dortmund als gründungsfreundlich?

Krause: Wir stecken ja noch mitten in den Verhandlungen. Die TU Dortmund hat sich generell sehr gründungsfreundlich gezeigt. Sie hat sich sofort bereit erklärt, die IP zu gründungsfreundlichen Konditionen auf uns zu übertragen. Es gab allerdings ein paar Hürden und die gibt es auch weiterhin. Wir merken, dass das System in Deutschland noch nicht so richtig darauf eingestellt ist, Gründungen aus der Wissenschaft voranzutreiben. Gerade wenn es um das Schreiben der Patente geht, die für ein Start-up von essenzieller Bedeutung sind, verfügen die Universitäten nicht über eigene Patentanwälte. Wir mussten relativ viel Eigenarbeit leisten, um mit einer fachlich versierten Ansprechperson vernetzt zu werden, die sich mit unserer Technologie auskennt und das Ganze in eine gute Patentform bringen kann, die auch langfristig auf dem Markt Schutz bietet.

Wir haben jetzt hauptsächlich über die technischen Aspekte und Anforderungen in Ihrer Branche gesprochen. Wie sieht es mit der betriebswirtschaftlichen Seite aus?

Krause: Gut! Ich habe Wirtschaftspsychologie studiert und bringe somit die Voraussetzungen mit. Es wäre aber vermessen zu behaupten, dass ich damit alle Aufgaben, die mit der Gründung und Führung eines Unternehmens verbunden sind, sofort perfekt bewältigen kann. Gerade zu Beginn ist es meiner Meinung nach extrem wichtig, seine Entwicklung konstant überprüfen zu lassen. Wir haben uns daher ein Netzwerk aus erfahrenen Personen aufgebaut, die aus ganz unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Bereichen kommen und uns beraten. Mit dem EXIST-Forschungstransfer haben wir die Möglichkeit, dieses Netzwerk noch auszubauen. Für neue Kontakte und viel Motivation hat auch der erste Platz bei dem Wettbewerb „Forum Junge Spitzenforschung“ und der TU Start-up Award 2024 der TU Dortmund gesorgt. Das hat uns natürlich sehr gefreut.

Außerdem nehmen wir aktuell an dem bundesweiten Gründungswettbewerb start2grow der Wirtschaftsförderung Dortmund teil und bewerben uns gerade für das Acceleratorprogramm HIGH-TECH.NRW. Was uns zusätzlich enorm hilft, ist das Netzwerk von chemstars.NRW. Dadurch stehen wir im Kontakt zu Chemie-Start-ups, die uns in den meisten Fällen schon einige Schritte voraus sind. Das heißt, wir profitieren sehr von deren Erfahrungen und Know-how.

Am Ende des Interviews nun noch die Frage: Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?

Spiekermann: Uns erreichen viele Anfragen von Unternehmen, die unser Produkt testen möchten. Wir müssen also eine Möglichkeit finden, um die Nachfrage bedienen zu können, vielleicht auch über externe Dienstleister. Zugleich müssen wir die daraus resultierende Response vom Markt bewerten. Daraus ergibt sich auch die Richtung, in die wir unsere Technologie weiterentwickeln werden. Zusätzlich werden wir mit der Errichtung der Pilotanlage in den nächsten zwei Jahren vollauf beschäftigt sein.

Krause: Außerdem werden wir unser Unternehmen in wenigen Monaten gründen. Damit sind natürlich noch viele Aufgaben verbunden. Wir machen uns zum Beispiel gerade Gedanken darüber, welche weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wir einstellen können und wie die Finanzierung der Personalkosten aussehen könnte. Alles, damit wir möglichst schnell einen Beitrag zur Nachhaltigkeit der chemischen Industrie leisten können.

Stand: November 2024

Die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW fördert das Centrum für Entrepreneurship & Transfer (CET) an der Technischen Universität Dortmund.