„Was wir bis heute noch nutzen, ist der CoWorkingSpace des CET mit seiner kostenlosen Infrastruktur für Start-ups.“
Alte Menschen haben kein Interesse an digitalen Angeboten? Stimmt nicht! Jonas Spieth, Jan-Eric Wörheide und Daniel Sonnabend haben da ganz andere Erfahrungen gemacht. Mit ihrer App tragen sie zu einer verbesserten Kommunikation zwischen Seniorinnen und Senioren und deren Wohnumfeld bei. Die „Silver Generation“ wurde dabei von den drei Absolventen der Technischen Universität Dortmund frühzeitig in die Produktentwicklung einbezogen. Offenbar mit Erfolg. Seit 2021 hat das Gründungsteam der lodomo GmbH einen vielversprechenden Start hingelegt. Unterstützt wurde es dabei vom CET, dem Centrum für Entrepreneurship & Transfer an der TU Dortmund.
Herr Spieth, Sie haben gemeinsam mit Ihren Co-Foundern eine App entwickelt, die alte Menschen dabei unterstützt, selbstbestimmt zu leben. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Spieth: Die Idee für die App entstand während der Corona-Pandemie. Unsere Großeltern leben im Service-Wohnen und waren durch die Einschränkungen während der Pandemie von der Außenwelt so gut wie abgeschnitten. Erschwert wurde der Umstand dadurch, dass es für die Generation unserer Großeltern nicht selbstverständlich ist, digital zu kommunizieren. Wir haben uns gefragt, woran das liegen kann. Und dabei ist uns aufgefallen, dass es einfach an attraktiven und geeigneten digitalen Lösungen für Seniorinnen und Senioren fehlt.
Und damit fiel der Startschuss für Ihre App?
Spieth: Ja, wir haben eine App entwickelt, die Seniorinnen und Senioren den Zugang zur digitalen Teilhabe und damit insgesamt zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bietet. Die Nutzerinnen und Nutzer erhalten Zugriff auf lokale Informationen, Veranstaltungskalender, Gesundheits- und Notfalldienste, Spiele und Filme. Sie können mit Angehörigen, Freundinnen und Freunden kommunizieren und vieles mehr. Dazu erhält jede Seniorin und jeder Senior ein Tablet, auf dem unsere App installiert ist. Die wiederum ist speziell auf die individuellen Bedürfnisse der Nutzerin bzw. des Nutzers zugeschnitten. Altenpflegeträger, Quartiere oder ähnliche Anbieter, die die App für ihre Bewohnerinnen und Bewohner zum Beispiel im Service-Wohnen nutzen möchten, können darüber hinaus die Inhalte anpassen und personalisieren. So können die Bewohnerinnen und Bewohner sich zum Beispiel über den Menüplan, über Freizeit- oder Kulturangebote der Einrichtung informieren. Das funktioniert alles sehr einfach, da der größte Teil der Informationen visualisiert ist. Außerdem ist das Ganze wie ein Baukasten aufgebaut, so dass wir die Angebote je nach Standort und Anwendungsfall gestalten können.
Haben Sie die Seniorinnen und Senioren bei der Entwicklung der App mit einbezogen?
Spieth: Ja, von Anfang an. Als jüngere Generation können wir die Probleme und Bedürfnisse von Seniorinnen und Senioren ja nicht vollständig nachvollziehen. Deswegen haben wir von Anfang an Umfragen durchgeführt. Dann haben wir Nutzertests durchgeführt und mit Seniorinnen und Senioren zusammen eine Oberfläche entwickelt und validiert. Seit zwei Jahren haben wir eine Testgruppe in Bochum, die ständig erweitert wird.
Bei alten Menschen heißt es oft, dass deren Interesse an digitalen Anwendungen nicht besonders groß ist. Ist das auch Ihre Erfahrung?
Spieth: Nein, überhaupt nicht. Vor allem Corona hat dazu beigetragen, dass bei vielen „ein Schalter umgelegt“ wurde. Als wir mit dem Aufbau der Testgruppe begonnen hatten, mussten wir sogar einen Aufnahmestopp einlegen. Das Interesse der Seniorinnen und Senioren an einem digitalen Angebot, das sich an deren Bedürfnissen orientiert, ist tatsächlich groß.
Ihre zahlenden Kunden sind aber nicht Seniorinnen und Senioren, oder?
Spieth: Das Spannende ist, dass wir zunächst ein Geschäftsmodell Business-to-Consumer, kurz: B2C, verfolgt haben. Das heißt, wir hatten tatsächlich die Seniorinnen und Senioren als Kunden im Visier. Davon sind wir aber schnell abgekommen, weil wir gemerkt haben, dass man für den B2C-Markt sehr viel Geld und Ausdauer benötigt. Der Aufwand für das Marketing ist einfach enorm hoch. Deswegen sind wir auf den Business-to-Business-Markt, B2B, umgeschwenkt. Das heißt, unsere Kunden sind Altenpflegeträger, Seniorenresidenzen, Pflegedienste sowie Kommunen. Unser Fokus liegt auf Service-Wohnen und Quartieren. Service-Wohnen bzw. Betreutes Wohnen bedeutet: Die Seniorinnen und Senioren leben in einer Einrichtung, sind aber noch sehr selbständig, nicht zuletzt dank bestimmter Dienstleistungen, die sie in Anspruch nehmen können. Dazu gehören Essensbestellung, Veranstaltungen des Trägers, Fahrdienste usw. Ein Quartier wird dagegen meist von einem kommunalen Träger gemanagt. Es handelt sich um ein vernetztes lokales Umfeld, das die soziale Teilhabe für ein selbstbestimmtes Leben im Alter unterstützt. Unser Geschäftsmodell sieht so aus, dass die Betreiber bzw. Träger der Einrichtungen oder Quartiere unsere App per Lizenz erwerben. Wir integrieren die Anwendung dann in deren Systeme und im Anschluss erhält jede Seniorin und jeder Senior ein Tablet mit unserer App.
Kommen wir zum Team von lodomo. Wer sind Ihre Co-Founder?
Spieth: Wir kommen alle von der TU Dortmund: Jan-Eric Wörheide und ich haben Wirtschaftsingenieurwesen studiert und Daniel Sonnabend ist Informatiker. Wir haben lodomo im Januar 2021 gegründet. Seitdem ist unser Team auf sechs Personen angewachsen.
Wie sind Sie vorgegangen, nachdem Sie auf die Idee für Ihre App gekommen waren?
Spieth: Wir haben uns ans CET, das Centrum für Entrepreneurship & Transfer an der TU Dortmund, gewandt und konnten dort unsere Entwicklungsarbeiten sehr schnell fortsetzen. Wir hatten unsere Idee ja schon sehr weit entwickelt, so dass uns klar war, dass wir tatsächlich eine Problemlösung gefunden hatten, die wir jetzt auf den Markt bringen wollten. Mit Unterstützung unseres Coaches haben wir dann relativ zügig ein valides Geschäftsmodell ausgearbeitet. Damit hatten wir die Voraussetzungen geschaffen, um uns für das Gründerstipendium NRW zu bewerben. Das haben wir dann auch bekommen, so dass wir erst mal für ein Jahr finanziell abgesichert waren und uns auf unsere Gründungsvorbereitungen konzentrieren konnten.
Wobei hat Sie das CET besonders vorangebracht?
Spieth: Besonders hilfreich war unser Coach. Der war sehr erfahren und hat gerade in der Anfangszeit für sehr gute Orientierung gesorgt. Als Sparringpartner hat er uns außerdem dabei unterstützt, unsere Idee und unser Vorgehen immer wieder kritisch zu hinterfragen. Gut waren auch die vielen Workshops zu Marketing, PR, Produktentwicklung, diese ganzen Geschichten. Und was wir bis heute noch nutzen, ist der CoWorkingSpace des CET mit seiner kostenlosen Infrastruktur für Start-ups.
Wie sieht es aus mit Kunden? Haben Sie schon Aufträge an Land gezogen?
Spieth: Ja, seit Anfang 2023 haben wir unseren ersten Kunden: ein großer privater Träger, der bundesweit Seniorenstifte betreibt. Darüber hinaus haben wir eine volle Pipeline, soll heißen: wir sprechen mit vielen interessanten potenziellen Kunden.
Es läuft also alles nach Plan, oder?
Spieth: Teils, teils. Wie bei jeder Unternehmensgründung trifft man am Anfang Annahmen, von denen dann ein Großteil nicht zutrifft. Wir hatten zum Beispiel massiv unterschätzt, wie lange es vom ersten Gespräch mit einem potenziellen Kunden bis zur Vertragsunterzeichnung dauert. Da kann schon gut ein Jahr vergehen. Das ist für ein Start-up natürlich eine Herausforderung. Aber es gab auch überraschend gute Erfahrungen. Im Rahmen der Produktentwicklung dachten wir zum Beispiel, dass wir bei den Seniorinnen und Senioren dicke Bretter bohren müssten, um deren Interesse zu wecken. Aber das Gegenteil war der Fall. Das hat wunderbar funktioniert und war deutlich einfacher als gedacht.
Wo stehen Sie denn aktuell mit Ihrem Start-up? Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?
Spieth: Zum einen werden wir natürlich weitere Kunden akquirieren - per Kaltakquise, indem wir einfach bei den Einrichtungen anrufen. Zum anderen kooperieren wir mit Unternehmen, die zum Beispiel Software für Alteneinrichtungen entwickeln und unsere App integrieren. Und schließlich präsentieren wir uns auf Fachmessen, Kongressen usw., um mit Betreibern von Alteneinrichtungen und Kommunen ins Gespräch kommen. Da ist die Resonanz sehr gut.
Sie sind noch nicht lange am Markt, haben aber schon viele Erfahrungen gesammelt. Ihr Tipp für andere Gründerinnen und Gründer?
Spieth: Im Endeffekt kommt es auf drei Dinge an. Erstens: Fangt so früh wie möglich mit der Umsetzung eurer Idee an, dann lernt ihr extrem viel. Erfahrung ist im Start-up-Bereich einfach Gold wert. Zweitens: Sprecht so früh wie möglich mit potenziellen Kundinnen und Kunden, ansonsten ist die Gefahr sehr groß, dass die Produktidee, die man im Kopf hat, nicht deckungsgleich ist mit dem, was der Kunde eigentlich möchte und wofür er bereit ist, Geld zu bezahlen. Drittens: Legt Meilensteine fest. Häufig läuft man einem Ziel hinterher, das sehr weit weg ist. Das ist ermüdend. Wenn man sich dagegen einzelne Etappenziele setzt, wie zum Beispiel einen Meilenstein für die Produktvalidierung, die Unternehmensgründung, den ersten Kunden usw., hat man immer ein Ziel vor Augen, auf das man hinarbeiten kann.
Weitere Informationen
Start-up Center.NRW fördert das Centrum für Entrepreneurship & Transfer (CET) an der TU Dortmund.
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