„Durch die Auszeichnung als Top-5 RUB-Start-up sind wir auf der Landkarte der Ruhr-Uni-Welt sichtbar geworden.“
In Wasserstoff als zukünftigem klimafreundlichen Energieträger werden große Hoffnungen gesetzt. Das Problem ist: Die Elektrolyse, also das Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff ist kostspielig. Das gilt vor allem die Materialien, die für die Katalysatoren verwendet werden. Die beiden Wissenschaftler Dr. Lars Banko und Sven Maihöfer haben sich daher auf die Entwicklung und Produktion neuer Materialien und Komponenten für die Elektrolyse spezialisiert hat. Erst vor kurzem haben sie die xemX materials space exploration GmbH gegründet. Unterstützt wurden sie dabei durch das WORLDFACTORY Start-up Center der Ruhr-Universität Bochum sowie EXIST-Forschungstransfer und nicht zuletzt das Coaching durch HIGHTECH.NRW und insbesondere chemstars.nrw gespielt.
Herr Maihöfer, zunächst einmal die Frage, welche Rolle Katalysatoren in elektrochemischen Prozessen der Gewinnung von Wasserstoff überhaupt spielen?
Maihöfer: Dazu muss ich etwas ausholen. Zunächst einmal muss man wissen, dassdie Elektrolyse, also die Aufspaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff, sehr energieintensiv ist. Die Unternehmen, so genannte Elektrolyseure, stehen daher vor der Herausforderung, den Strom möglichst günstig einzukaufen. Bei grünem Wasserstoff, kommt hinzu, dass der Stoff aus regenerativen Energiequellen, also Wind, Sonne, Erdwärme, kommen muss. Herzstück einer Elektrolyseanlage ist der Elektrolyse-Stack und darin die katalysatorenbeschichteten Elektroden. Die Katalysatoren wiederum bestehen aus bestimmten Materialien. Von ihnen hängt es ab, wie viel Energie benötigt wird, um eine gewisse Menge Wasserstoff herzustellen.
Für die Hersteller von Wasserstoff sind Katalysatoren ein großer Kostenfaktor.
Maihöfer: Nicht nur die Kosten, sondern auch die Verfügbarkeit und die Langzeitstabilität der Katalysatoren spielen eine große Rolle. Der Wasserstoffmarkt befindet sich noch im Anfangsstadium. Bis zum Jahr 2030 soll die Elektrolysekapazität auf von mehr als 100 Gigawatt steigen. Dies stellt jedoch nur einen Bruchteil dessen dar, was für die Zukunft geplant ist. Um den wachsenden Energiebedarf und die Klimaziele zu erreichen, muss die Kapazität bis zum Jahr 2050 auf einige Terawatt erweitert werden.
Und was ist das Problem?
Maihöfer: Der rasante Aufschwung der Wasserstoffindustrie zieht einen signifikanten Bedarf an neuen Katalysatoren nach sich. Dies führt zu einem Anstieg der Nachfrage sowie der Rohstoffpreise. Für die Umsetzung der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung benötigen wir allein hier zu Lande über 2.000 Fußballfelder an katalysatorbeschichtete Elektroden in den nächsten sieben Jahren. Noch gibt es keine Materialien, die diesen Bedarf realistisch in Anbetracht von Verfügbarkeit, Preis und Langzeitstabilität decken könnten. Für die Realisierung einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft ist es aber essenziell, die Kosten für die Wasserstoffproduktion zu minimieren. Dazu müssen die Leistungsfähigkeit und Effizienz der Katalysatoren gesteigert werden. Dazu braucht es Materialien, die die extremen Bedingungen bei der Elektrolyse aushalten. Deren Kosten müssen gesenkt werden. Diese beiden Ansätze sind entscheidend, um Wasserstoff als sauberen Energieträger wirtschaftlich tragfähig zu machen und einen größtmöglichen Beitrag zur Energiewende zu leisten.
Wie sieht Ihre Lösung dafür aus?
Maihöfer: Unsere Technologie hat ihren Ursprung in der Materialwissenschaft und Elektrochemie. Wir haben eine KI-gestützte Materialinnovationsplattform entwickelt,um maßgeschneiderte Materialien für Katalysatoren zu identifizieren und zu produzieren. Wir nehmen die Anforderungen unserer Kunden auf, entwickeln ein KI-gestütztes Versuchslayout, führen die Experimente automatisiert durch und identifizieren die besten Hochleistungsmaterialien, deren Komponenten wir aufgrund von Verschwiegenheitsvereinbarungen mit unseren Partnern nicht öffentlich nennen können. Was uns von unseren Wettbewerbern unterscheidet, ist, dass wir extrem schnell verschiedene Materialien testen können und sicherstellen, dass sie wirklich alle Kundenanforderungen erfüllen. Sobald wir die am besten geeigneten Materialien identifiziert haben, bringen wir sie mit unseren industriellen Partnern in die großtechnische Produktion ein, um unsere Kunden mit Katalysatoren in ausreichender Menge zu beliefern. Unsere Produktion ist skalierbar, sodass wir mit einer wachsenden Nachfrage mithalten können.
Sie haben vor allem den grünen Wasserstoff im Visier. Ihr Katalysator kann aber auch von Unternehmen eingesetzt werden, die Wasserstoff mit fossilen Energieträgern herstellen?
Maihöfer: Ja, im Prinzip kann unser Katalysator in jeder Elektrolyse-Anlage eingesetzt werden, egal ob der Strom dafür aus Erdgas, Erdöl oder regenerativen Energiequellen hergestellt wird. Nur, wenn man wirklich auf Nachhaltigkeit und Kohlendioxidneutralität setzt, muss der gesamte Prozess der Wasserstoffgewinnung natürlich schon mit regenerativ erzeugtem Strom betrieben werden. Deswegen möchten wir vor allem dazu beitragen, dass grüner Wasserstoff günstiger wird.
Die Idee dazu ist an der Ruhr-Universität Bochum entstanden?
Maihöfer: Ja. Mein Mitgründer Lars Banko hat seine Promotion darübergeschrieben, wie sich Materialien kombinieren lassen, um sie für Katalysatoren zu verwenden. Ein spannendes Forschungsfeld mit zahlreichen innovativen Ideen und Forschungsbeiträgen. Seit Jahrzenten hat die Ruhr-Uni eine Reputation für exzellente Forschung im Bereich der Werkstoffe und Elektrochemie. Wir wollen erstklassige Forschung aus dem Labor in die Industrie bringen. Dafür schien ihm die Gründung eines eigenen Unternehmens als der beste Weg.
Wie sind Sie dann noch dazugekommen?
Maihöfer: Lars und ich hatten uns kennengelernt, als wir noch als studentische Hilfskräfte am Institut für Werkstoffe an der RUB waren. Ich hatte damals die Befürchtung, dass ich womöglich irgendwann in einem fensterlosen Labor lande, wenn ich in dem Bereich promoviere. Darauf hatte ich keine Lust. Also habe ich den Lehrstuhl gewechselt und im Bereich Technologiemanagement promoviert. Dabei ging es um die Frage, wie man innovative Technologien zur praktischen Anwendung auf den Markt bringt. Mein Doktorvater war damals der Promotionsvorsitzende von Lars. Und als Lars ihm erzählte, wie schwierig es sei, jemanden zu finden, der Spaß an Werkstoffen hat, sich aber auch mit Vertrieb und Marketing in einem jungen Unternehmen auskennt, meinte mein Doktorvater: „Ach, der Herr Maihöfer, der schwärmt immer noch von den Werkstoffen.“ Es ist tatsächlich so, dass mich Werkstoffe sehr faszinieren. Ich habe eine Zeitlang in Brasilien Werkstoffwissenschaft studiert und mir Minen angeschaut. Wenn man das einmal gesehen hat, weiß man, was der Abbau für einen ungeheuren Impact auf die Bevölkerung, die Region und Umwelt hat und was für ein Potential innovative Werkstoffe auf Menschen und Technik hat. Als mir Lars dann von seiner Idee erzählte, dachte ich, dass das eine einmalige Gelegenheit sei, beide Interessen zu verbinden: Menschen davon zu überzeugen, neue Technologien zu implementieren und zugleich im Bereich Werkstoffwissenschaften zu arbeiten.
Sie haben sich dann zusammengetan und gemeinsam ein Unternehmen gegründet. Wie kam der Kontakt zum WORLDFACTORY Start-up Center zustande?
Maihöfer: Wir hatten uns zunächst für ein Beratungsgespräch angemeldet. Unsere Ansprechpartnerin hat sich dann mit uns zusammengesetzt und fand unsere Idee auf Anhieb spannend. Daraus hat sich ein enges Verhältnis entwickelt, so dass wir vor allem in dieser frühen Phase ständig im Dialog waren. Ganz gleich, ob wir Hilfe bei der Beantragung von EXIST-Forschungstransfer brauchten oder mit Gründungsteams an der Ruhr-Uni sprechen wollten. Unsere Ansprechpartnerin hat uns zugehört und uns den Weg aufgezeigt. Klar gab es auch jede Menge schriftliche Informationen. Aber eine persönliche Ansprechpartnerin zu haben, die mitüberlegt, Vorschläge macht, sich umhört, einen vernetzt mit Menschen, die ähnliche Probleme haben oder diese Probleme schon gelöst haben, das zeichnet für mich die WORLDFACTORY aus.
Sie werden aktuell von dem Fachinkubator Materials an der RUB betreut.
Was ist das Besondere daran?
Maihöfer: Dass wir dort auf Menschen treffen, die unsere Begeisterung für Werkstoffe teilen. Wer sich so intensiv mit einem speziellen Thema wie diesem beschäftigt, entwickelt einfach einen besonderen Mindset und da ist es sehr hilfreich, in dieser Community eine Heimat zu finden. Darüber hinaus haben wir hier auch eine feste Ansprechpartnerin, die uns sehr gut betreut.
Sie haben Anfang des Jahres an einem Pitch der Ruhr-Uni Bochum teilgenommen und wurden zu einem der Top-5 RUB-Start-ups gekürt. Inwiefern profitieren Sie von dieser Auszeichnung?
Maihöfer: Es war und ist ein schönes Gefühl, diese hochschulweite Aufmerksamkeit zu bekommen und durch die WORLDFACTORY ein Team an seiner Seite zu wissen, das einen tatkräftig unterstützt. Wir sind ja so ein Ruhr-Uni-Eigengewächs. Wir haben an der RUB studiert, wir haben dort promoviert, wir haben dort gegründet. Wenn durch die Auszeichnung auch andere Lehrstühle, Dozentinnen und Dozenten, Studierende an der RUB von uns erfahren, ist das eine gute Gelegenheit, um ins Gespräch zu kommen. Vielleicht ergeben sich dadurch auch neue Projekte. Die Auszeichnung hat jedenfalls dafür gesorgt, dass wir auf der Landkarte der Ruhr-Uni-Welt verortbar und sichtbar sind.
Sie haben auch am Hightech-NRW Accelerator teilgenommen. Wie sehen Ihre Erfahrungen damit aus?
Maihöfer: Mit dem zwölfwöchigen Accelerator-Programm von HIGH-TECH.NRW verbinde ich sehr schöne Erinnerungen, nicht zuletzt, weil der Fokus ganz klar auf Tech-Unternehmen liegt. Bei aller Unterschiedlichkeit der Technologien und Geschäftsideen gibt es da doch einen gemeinsamen Nenner: Wir haben keine Privatkunden, sondern bewegen uns voll und ganz im B2B-Kontext. Es muss uns also gelingen, das Vertrauen von potenziellen Unternehmenskunden zu gewinnen, damit sie bereit sind, die von uns entwickelten Technologien zu nutzen. Das ist keine leichte Aufgabe. Und da hilft der Erfahrungsaustausch mit anderen Start-ups sehr. Hinzu kam das intensive Coaching durch den Innovation Hub BRYCK & H2UB. In dem Zusammenhang haben wir dann auch Akteure in der Wasserstoffwirtschaft kennengelernt, sind zusammen auf Fachmessen nach Paris und Essen gefahren usw. Das war im Prinzip für uns der Zugang zu unserer Wasserstoff-Community.
Aktuell werden Sie durch chem.stars NRW unterstützt, das sich speziell an chemierelevante Gründungen richtet.
Maihöfer: Ja, das ist wirklich ein unglaublich tolles Coaching. Unsere beiden Ansprechpartner sind eigentlich immer für uns erreichbar und vermitteln uns weitere Kontakte zur Chemieindustrie. Wir lernen, wie wir uns am besten auf die Gespräche mit den Unternehmen vorbereiten, können unsere Pitch-Decks überprüfen lassen und vieles mehr. Ein sehr intensives Programm!
EXIST Forschungstransfer läuft Mitte nächstes Jahr aus. Wie sieht es dann mit der weiteren Finanzierung aus?
Maihöfer: Das kommt darauf an. Wir müssen überlegen, ob wir strategisch einen VC-Investor oder einen Industriepartner an Bord holen möchten, der in uns investiert. Wir sind im Austausch und freuen uns auf vertiefte Gespräche, um das Unternehmen zum Erfolg zu führen.
Gab es auch etwas, das trotz aller Schwierigkeiten dennoch eine positives Learning für Sie war?
Maihöfer: Die Kontaktaufnahme zu Großunternehmen war und ist nicht einfach, weil man erst einmal herausfinden muss, wer der Entscheider ist. Hinzu kommt, dass unsere Technologie sehr erklärungsbedürftig ist. Wir müssen sie also bei aller Kürze, die einem in der Regel bei einem ersten Gespräch zur Verfügung steht, so präsentieren, dass sie auch wirklich verstanden wird. Wenn man aber einmal die richtige Ansprechperson gefunden hat, ist es doch überraschend, wie positiv die Gespräche verlaufen. Wir merken schon, dass das Interesse da ist, weil es tatsächlich einen Bedarf an neuen Katalysatoren gibt.
Welche Tipps würden Sie anderen Gründungsinteressierten geben?
Maihöfer: Ich glaube, man muss für die Thematik brennen, die man vorantreiben möchte. Man sollte eine klare Vision davon haben, was man in der Gesellschaft bewegen möchte und dann sehen, welcher Weg dahin führen kann. Dabei muss man auch bereit sein, dass Produkt womöglich neu auszurichten beziehungsweise an den Markt anzupassen. Wir haben so viel Feedback von Unternehmen bekommen und auch berücksichtigt. Wären wir bei der ersten von uns entwickelten Produktvariante geblieben, wären wir nicht so weit gekommen.
Weitere Informationen:
xemX bei Linkedin
Stand: Dezember 2023
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