„Der Zugang zu den vielen verschiedenen Angeboten für Gründerinnen und Gründer im Start-up-Ökosystem war ziemlich einfach. Man merkt, dass die verschiedenen Player in Nordrhein-Westfalen eng vernetzt sind.“

v.l.n.r.: Mirjam Peters, Elena Kirchner und Jonah Polack
© umaversum reproductive health

Schwangerschaft und Geburt sind mit vielen Fragen verbunden. Doch die Zeit für Beratungsgespräche mit Ärztinnen, Ärzten und Hebammen ist meist knapp bemessen. Und wer im Internet nach Antworten sucht, findet meist widersprüchliche und nicht immer vertrauenerweckende Informationen. Mirjam Peters, Elena Kirchner und Jonah Polack möchten daher mit ihrer app-basierten Gesundheitsanwendung Schwangere u. a. dabei unterstützen, mit schwangerschaftsbezogenen Beschwerden besser umzugehen. Entwickelt hat das Gründungsteam sein digitales Versorgungsangebot rund um die Geburt an der Hochschule für Gesundheit in Bochum. Die Ruhr-Universität Bochum und die TU Dortmund haben dafür gesorgt, dass die drei auch in Gründungs- und Unternehmensfragen fit sind. Beste Voraussetzungen also für die Gründung der umaversum reproductive health GmbH.

Frau Kirchner, das umaversum-Team bietet eine app-basierte Gesundheitsanwendung für schwangere Frauen an. Was beinhaltet die App?
Kirchner:
Wir haben eine app-basierte Gesundheitsanwendung entwickelt, die Schwangeren zu mehr gesundheitsbezogener Lebensqualität verhelfen soll. Frauen finden in der App zum Beispiel eine Symptomsuche für schwangerschaftsbezogene Beschwerden sowie Informationen zu allen Vorsorgeuntersuchungen und IGeL-Leistungen, deren Nutzwert wir vorab bewertet haben. Die Mediathek enthält Artikel, Übungsvideos gegen Beschwerden sowie Podcasts. Außerdem arbeiten wir an einer weiteren Version der uma Schwangerschaftsapp, in der Schwangere ihre Vitalwerte wie Blutdruck und Blutzucker oder auch ihr Gewicht eingeben können und daraufhin ein Feedback erhalten, um die eingegebenen Werte besser beurteilen zu können. Alle Inhalte, die wir zur Verfügung stellen, basieren auf aktuellen Leitlinien und Studien.

Sie haben Ihr Start-up zu dritt gegründet. Können Sie etwas zum Gründungsteam sagen?
Kirchner:
Meine Mitgründerin Mirjam Peters ist Hebamme. Sie hat außerdem ihren Master in Public Health gemacht und als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Gesundheit gearbeitet. Mirjam hatte die Idee, die Schwangerenversorgung ein Stück weit zu digitalisieren, insbesondere vor dem Hintergrund der Versorgungslücke, die aufgrund des Hebammenmangels besteht. Meine Aufgaben drehen sich im Wesentlichen um Design und Marketing. Ich habe an der FH Aachen Produktdesign studiert und anschließend in einem Unternehmen gearbeitet, das Neugeborenen- und Schwangerenartikel verkauft. Mirjam und ich haben uns dann zufällig kennengelernt und entschieden, gemeinsam ein Start-up zu gründen. Kurz darauf konnten wir noch Jonah für unser Gründungsteam gewinnen. Er ist Software-Entwickler und hat bereits mehrjährige Erfahrung im Bereich der App-Entwicklung.

Sie wurden bei Ihren Vorbereitungen durch die Hochschule für Gesundheit Bochum unterstützt. Wie sah diese Unterstützung aus?
Kirchner:
Wir wurden über das Landesprogramm STARTUP transfer.NRW gefördert und in diesem Zusammenhang von der Hochschule für Gesundheit als wissenschaftliche Mitarbeitende eingestellt. So hatten wir die Möglichkeit, ihre Räumlichkeiten und Infrastruktur zu nutzen, um unsere App zu entwickeln und zu realisieren. Das hat trotz des Lockdowns während der Pandemie sehr gut geklappt. Mirjam hatte ja zuvor bereits an der Hochschule im Rahmen ihrer Promotion zur Schwangerenversorgung in NRW geforscht. Das war sozusagen der Grundstein für die Idee zur App gewesen. Mithilfe von STARTUP transfer.NRW konnten wir dann die Beta-Version unserer App entwickeln.

Was die unternehmerischen Skills anging, haben uns die Ruhr-Universität Bochum und die TU Dortmund sehr geholfen. An der Ruhr-Universität Bochum konnten wir alle Angebote der WORLDFACTORY nutzen und an Workshops und Pitchs teilnehmen. Das hat alles reibungslos funktioniert, weil die Hochschule für Gesundheit und die Ruhr-Universität im Bereich der Gründungsunterstützung miteinander kooperieren. Außerdem haben wir dann noch vier Monate am damaligen Innolab der TU Dortmund teilgenommen – heute ist es das cetup.INNOLAB. Wir hatten uns einfach beworben und dann gleich den Zuschlag erhalten. Das Innolab-Team war wirklich sehr nett und hat uns optimal auf Pitches, Investorengespräche, Finanzierungsverträge usw. vorbereitet. Insgesamt kann ich sagen, dass der Zugang zu den vielen verschiedenen Angeboten für Gründerinnen und Gründer im Start-up-Ökosystem ziemlich einfach war. Man merkt, dass die verschiedenen Player in Nordrhein-Westfalen eng vernetzt sind.

Was ist denn bisher besonders gut gelaufen?
Kirchner:
Zunächst einmal haben wir ein tolles Team, das wirklich mit vollem Herzen dabei ist. Mittlerweile haben wir sechs Mitarbeitende. Die Hälfte davon sind Hebammen, die bei uns in der Redaktion arbeiten und unser B2B-Marketing ausbauen. Außerdem ist es uns direkt nach Beendigung von Start-up-Transfer.NRW gelungen, Business Angels zu gewinnen, die unser weiteres Vorgehen finanzieren. Insgesamt haben wir bisher ziemlich viel geschafft. Auch die ganzen Zertifizierungsprozesse waren zeitlich sehr eng getaktet, trotzdem ist größtenteils alles reibungslos gelaufen.

Gibt es denn auch Herausforderungen, die nicht so einfach zu meistern sind?
Kirchner:
Das Problem ist, dass sich das Thema Schwangerschaft in einer gesetzlichen Grauzone befindet. Seit 2020 können Ärztinnen und Ärzte im Rahmen des Digitale-Versorgung-Gesetzes zwar Apps verschreiben. Leider gehören aber Hilfen rund um die Schwangerschaft nicht zum Leistungsspektrum. Wir sind allerdings der Ansicht, dass eine Schwangerschaft – auch wenn sie natürlich keine Krankheit ist – dennoch ein lebensverändernder Abschnitt ist, der auch mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen einhergehen kann. Deswegen möchten wir mit unserer App hier einen ergänzenden Beitrag zu einer besseren Schwangerenversorgung leisten. Aber aktuell werden wir immer noch durch einen regulatorischen Eisberg ausgebremst. Ich habe den Eindruck, dass in der Gesundheitspolitik beim Thema digitale Gesundheitsanwendungen Schwangerschaft und Geburt schlichtweg vergessen wurden.

Wie sehen denn Ihre nächsten Schritte aus?
Kirchner:
Aktuell gibt es eine kostenlose Version, die aber nicht den kompletten Funktionsumfang bietet. Der steht zum jetzigen Zeitpunkt nur Selbstzahlerinnen zur Verfügung. Unser Ziel ist daher, unsere App kostenfrei über die gesetzlichen Krankenkassen oder einen anderen Weg anzubieten. Daran arbeiten wir gerade mit Hochdruck.

Gibt es noch einen Tipp, den Sie anderen Gründungsteams geben können?
Kirchner:
Man erlebt als Gründerin oder Gründer immer wieder Tiefpunkte und kommt ins Grübeln. Ich habe aber in den letzten zwei Jahren erlebt, dass es immer irgendeinen Weg gibt, Probleme zu lösen. Das Wichtigste ist dabei, nicht allein zu sein, sondern sich in einem gut funktionierenden Team zu bewegen.

 

Weitere Informationen:
umaversum reproductive health Gmbh

Das Interview wurde der Broschüre „Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Nordrhein-Westfalen: Sprungbrett für innovative Start-ups“ entnommen. Herausgeber: Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen

Die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW fördert das WORLDFACTORY Start-up Center an der Ruhr-Universität Bochum sowie das Centrum für Entrepreneurship & Transfer (CET) an der Technischen Universität Dortmund.