„Die große Herausforderung für ein junges Unternehmen ist, sich mit seinem Angebot abzuheben und aus der Masse hervorzustechen.“

Drei junge Männer sitzen auf Treppenstufen und blicken in die Kamera.
Benjamin Kasten (vorne links), Lorenz Pott (hinten) und Till Schlief (vorne rechts)
© garage33, Universität Paderborn

Den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge vorantreiben und damit die Mobilitätswende beschleunigen. Das ist das Ziel von Benjamin Kasten, Lorenz Pott und Till Schlief. Das Gründungsteam der ladeplan UG (haftungsbeschränkt) unterstützt mit seiner KI-basierten Software Ladesäulenbetreiber und Kommunen beim Aufbau ihrer Ladeinfrastruktur. Die Ausgründung der Universität Paderborn ist seit 2021 am Markt und profitiert auch heute noch von dem Know-how und dem Netzwerk des TECUP – Center für Transfer durch Existenzgründung und dessen garage33.

Herr Kasten, Ihr Start-up unterstützt Ladesäulenbetreiber bei der Planung ihrer Ladeinfrastruktur. Was kann man sich darunter vorstellen?

Kasten: Wir unterstützen sogenannte Charge Point Operator dabei, geeignete Standorte für Ladesäulen zu finden. Charge Point Operator oder auch Ladesäulenbetreiber sind Unternehmen, die mit dem Verkauf von Strom an Ladesäulen Geld verdienen. Das hört sich erst einmal einfach an, ist es aber nicht. Die große Herausforderung besteht darin, geeignete Standorte zu finden, die eine hohe Nutzung und damit einen hohen Umsatz versprechen. Und hier kommt unsere KI-basierte Software ins Spiel. Die ist in der Lage europaweit die Auslastungsdaten von über 130.000 Ladepunkten zu analysieren. Wir erfahren also im Minutentakt, ob die Ladesäule xy gerade besetzt ist und wie lange das Fahrzeug dort lädt. Dieses Wissen verknüpfen wir mit den Umgebungsdaten, also der Anzahl an Restaurants, der Verkehrssituation, der Bevölkerungsdichte und so weiter. Daraus lernt der KI-Algorithmus, was ein guter Standort und was ein schlechter Standort ist. Gute Standorte zeichnen sich zum Beispiel durch viel Gastronomie, viele Geschäfte, eine gute Anbindung an die Innenstadt, viele Parkplätze oder auch die Nähe zur Autobahn aus. Da gibt es sehr viele Einflussfaktoren, die wir mit Hilfe unserer Software ermitteln und standardisieren können, so dass wir mehrere hundert denkbare Standorte miteinander vergleichen können. Die Ladesäulenbetreibern wählen dann diejenigen aus, die das größte Umsatzpotenzial versprechen.

Zu Ihren Kunden gehören aber nicht nur Ladesäulenbetreiber, sondern auch Kommunen und Stadtwerke.

Kasten: Ja, und die sind natürlich daran interessiert, dass möglichst vielen E-Fahrzeugbesitzerinnen und -besitzern ein flächendeckendes Angebot an Ladesäulen zur Verfügung steht. Wir bieten daher ein Tool an, das die Ladeinfrastruktur auch in ländlichen Regionen oder reinen Wohngebieten berücksichtigt. Die sind für Ladesäulenbetreiber nicht so attraktiv, da dort eine eher geringere Verkehrs- und Passantenfrequenz zu erwarten ist. Weil Charge Point Operator von alleine dort also keine Ladestationen aufbauen, müssen die Kommunen diese Bereiche identifizieren, um ihrer Aufgabe der Daseinsvorsorge gerecht zu werden. Dazu zählt eben auch, der gesamten Bevölkerung Zugang zu wichtiger Infrastruktur – wie Ladestationen für E-Autos – zu ermöglichen.

Haben Sie schon Kunden oder bewegt sich das Ganze noch so in der Pilotphase? In Deutschland oder auch schon EU-weit?

Kasten: Wir haben ladeplan im Jahr 2021 gegründet und haben im April 2022 unseren ersten Kunden, eine Kommune aus dem Kreis Paderborn, gewinnen können. Inzwischen sind Stadtwerke, Städte und eben diese Energieversorger und Charge Point Operator hinzugekommen. Drei davon im EU-Ausland.

Ihr Co-Founder Lorenz Pott und Sie selbst haben Wirtschaftsinformatik, Till Schlief hat Betriebswirtschaft an der Universität Paderborn studiert. Dort ist auch die Idee für die ladeplan UG entstanden. Wie kam es dazu?

Kasten: Wir haben im Rahmen unseres Studiums an einem Modul teilgenommen, das vom TECUP – Center für Transfer durch Existenzgründung an der Universität Paderborn angeboten wurde. Dabei sollte in Zusammenarbeit mit einem mittelständischen Unternehmen eine innovative Idee für ein konkretes Problem entwickelt werden. Wobei das Thema Ladeinfrastruktur mit der Challenge gar nichts zu tun hatte, aber irgendwie sind wir – Lorenz, Till und ich – trotzdem auf das Thema gekommen. Also sagten wir uns, okay, lass uns doch dafür eine Lösung entwickeln. Wir haben dann mit vielen Kommunen gesprochen und uns gefragt, warum so viele Ladeinfrastrukturkonzepte erst über mehrere Jahre geschrieben werden, um dann in der Schublade landen. Wir dachten, das könne man doch auch digital mit Echtdaten machen. Damit wäre man immer auf dem neuesten Stand und jeder hätte Zugang.

Und wie ging es dann weiter?

Kasten: Wir haben dann kurz darauf einen Prototyp entwickelt – ohne eine Förderung oder einen Kunden in Aussicht zu haben. Aber wir waren einfach davon überzeugt, dass es da ein Problem gibt, das wir lösen können und dass diese Lösung die Grundlage für eine Geschäftsidee sein könnte. Dazu muss man sagen, dass die Themen Gründung und Unternehmertum an der Uni Paderborn sehr präsent sind. Wir hatten also alle schon dieses Mindset, dass die Gründung eines eigenen Start-ups einfach eine interessante berufliche Option sein könnte. Hinzu kam, dass das TECUP und die dazugehörige garage33 einen niedrigschwelligen Anlaufpunkt bieten, so dass es einem wirklich leicht gemacht wird, einfach dort vorbeizugehen und seine Idee vorzustellen.

Die garage33 ist Bestandteil des Start-up Centers TECUP, an das sich alle Gründungsinteressierten der Uni Paderborn wenden können?

Kasten: Genau. Die garage33 verfügt über ein großes Netzwerk an Coaches, Gründungsberaterinnen und -beratern und ist mit vielen Institutionen und Start-up-Centern in der Region und auch deutschlandweit verknüpft. Nachdem wir dort unsere Idee vorgestellt hatten, haben wir direkt einen Coach zur Seite gestellt bekommen. Außerdem wurde uns ein Büroplatz zur Verfügung gestellt, wo wir an unserer Idee arbeiten konnten und im guten Austausch mit anderen Gründerinnen und Gründern standen. Im Laufe unseres Aufenthalts in der garage33 haben wir dann unter anderem am Gründungscoaching und erst kürzlich am zweiten Batch des Akzelerators teilgenommen, der seinen Abschluss am „Moonshots & Moneten“-Event, also der Eröffnungsveranstaltung des neuen Start-Campus OWL, der neuen Heimat der garage33, hatte. Der Akzelerator ist für etwas fortgeschrittene Start-ups ausgelegt und hat uns stark dabei geholfen, unsere Strukturen zu professionalisieren und Vision sowie Ziele zu schärfen.

Insgesamt hat das Team der garage33 einfach sehr viel Erfahrung in der Betreuung von Gründungsteams. Es hat zum Beispiel dafür gesorgt, dass wir über eine Förderempfehlung das Gründungsstipendium NRW erhalten haben. Dadurch hat jeder von uns zwölf Monate lang monatlich jeweils 1.000 Euro erhalten – alles in allem also 36.000 Euro. Die Zeit haben wir genutzt, um zum Beispiel Kontakt zu über 100 Kommunen und Stadtwerken - damals hatten wir die Charge Operator noch nicht im Blick - aufzunehmen und sie nach ihren konkreten Herausforderungen beim Aufbau ihrer Ladeinfrastruktur zu fragen. Im Verlauf der Recherche haben wir sogar eine ganze Reihe Letters of Intent bekommen. Damit wurde uns ganz klar signalisiert, dass die Kommunen und Stadtwerken an unserer Lösung interessiert sind. Und: Wir haben über die Gespräche mit den Kommunen auch erfahren, welche Anbieter es womöglich gibt, die an ähnlichen Lösungen arbeiten.

Das hört sich so an, als wenn alles ganz einfach gewesen ist. Gab es auch die eine oder andere Hürde, die sie nehmen mussten?

Kasten: Ja, die gab es. Da war zum einen die formale Gründung unseres Unternehmens. Ein Unternehmen anzumelden, scheint erst mal ganz einfach zu sein. Man einigt sich auf eine Rechtsform und einen Namen, geht zum Notar, einigt sich auf eine Satzung, lässt das Unternehmen im Handelsregister eintragen und zahlt etwas Geld auf das Geschäftskonto ein. Damit ist das Unternehmen gegründet. Aber so einfach ist es dann doch nicht. Man muss darüber hinaus eine ganz Reihe von Eintragungen und Anmeldungen vornehmen, sei es beim Finanzamt, beim Arbeitsamt, bei der Krankenversicherung, bei der Berufsgenossenschaft usw. Uns hat damals ein Roter Faden gefehlt. Wenn man googelt, findet man zwar jede Menge Anleitungen, was zu tun ist. Aber am Ende des Tages läuft es doch immer etwas anders. Wir mussten zum Beispiel immer wieder mit Steuerberatern und Anwälten sprechen, bis unser Gesellschaftsvertrag für uns tatsächlich gepasst hat. Sobald man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellt, wird es noch aufwändiger. Da gibt es sehr viel zu beachten. Wir haben natürlich mit sehr vielen anderen Gründerinnen und Gründern gesprochen und uns an deren Erfahrungen orientiert. Aber eigentlich wäre es ganz gut gewesen, wenn wir so eine Art Handbuch gehabt hätten.

Und wie sah es mit der Kundenakquise aus?

Kasten: Das war eine weitere Herausforderung. Bei uns hat es ein Jahr gedauert, bis wir tatsächlich einen unterschriebenen Auftrag hatten – trotz der vielen Interessensbekundungen, die wir anfangs von den Kommunen erhalten hatten. Aber Interesse bedeutet eben nicht Vertragsabschluss. Insofern mussten wir schon eine ziemliche Durststrecke bewältigen, während der wir kein Geld verdient haben. Wir sind dann natürlich auch ins Grübeln gekommen, von wegen, ob das, was wir da entwickelt haben, tatsächlich gebraucht wird. Das hat uns als Team ziemlich belastet. Aber irgendwann war dann der erste Auftrag unter Dach und Fach und mit dem ersten Kunden kam dann relativ schnell der zweite, dann der dritte und so weiter. Es hat sich also gelohnt dranzubleiben, auch wenn es möglicherweise frustrierend ist.

Sie sagten, dass es finanziell für Sie nicht einfach war. Hatten Sie keinen Investor an Bord?

Kasten: Nein,wir sind nicht VC-finanziert. Das hat Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist, dass wir unabhängig von externen Kapitalgebern sind und unsere Entscheidungen nach unserem Ermessen treffen können. Es redet uns da niemand rein. Wir haben zwar finanziell nicht so viel vor der Brust wie ein VC-finanziertes Start-up und müssen deshalb mit unserem Geld etwas sorgfältiger umgehen. Aber zu wissen, dass unser Unternehmen inzwischen profitabel ist, und dass wir das Kapital, mit dem wir arbeiten, selbst erwirtschaftet haben, ist schon ein gutes Gefühl.

Gab es während der Anlaufphase auch Dinge, die Sie wirklich weitergebracht haben und die vielleicht positiver als erwartet waren?

Kasten: Ja, klar. Wir waren zum Beispiel sehr darüber begeistert, wie gut wir als dreiköpfiges Team funktioniert haben. Wir hatten aufgrund unseres Studiums und weiterer Erfahrungen verschiedene Kompetenzen, so dass wir wirklich sehr viel ohne externes Fachwissen umsetzen konnten. Wir konnten Prototypen entwickeln, wir konnten die Software programmieren, wir konnten mit Kunden kommunizieren und die Bereiche Marketing und Vertrieb abdecken und wir konnten uns finanziell über Wasser halten. Das war schon eine Leistung. Vorher hatte ich eher daran gezweifelt, ob wir das überhaupt zu dritt alles schaffen.

Ein riesiger Pluspunkt ist darüber hinaus, dass unser Team auch auf menschlicher Ebene so gut funktioniert. Als Gründungsteam eines Unternehmens arbeitet man ja nicht nur ein paar Monate, sondern idealerweise viele Jahre zusammen. Von daher sind wir alle sehr froh, dass wir uns wirklich gut untereinander verstehen und offen miteinander reden können. Heute sind wir übrigens zu sechst. Unsere drei Mitarbeitenden unterstützen uns im Sales- und Tech-Bereich. Das ist natürlich auch ein großer Erfolg, der allein auf unser Konto geht, ohne Unterstützung durch einen Investor.

Wenn Sie vom heutigen Standpunkt aus zurückblicken: War es die richtige Entscheidung, sich selbstständig zu machen?

Kasten: Ja. Die Unterstützung durch die garage33 und das Gründungsstipendium NRW hat uns ganz klar den Weg in die Selbstständigkeit geebnet. Wir hatten dadurch sehr viel Freiraum, um an unserer Idee zu arbeiten. Natürlich gab es gerade in der Anfangsphase die eine oder andere Hürde, die man überwinden muss. Aber letztlich erleben das auch viele Berufsanfängerinnen und -anfänger, die als Angestellte Karriere machen möchten. Im Gegenteil: Ich glaube, wenn man gründet, hat man sogar etwas mehr Freiheiten. Und die Erfolgserlebnisse sind dann einfach superschön und sehr cool. Hinzu kommt, dass man sich sein Team selbst aussuchen kann. Man arbeitet mit Leuten, mit denen man wirklich arbeiten will. Und: Man baut sich ein großes Netzwerk mit vielen Menschen auf, die einen unterstützen und die wir natürlich auch unterstützen. Das sind schöne Erfahrungen.

Wenn Sie heute noch einmal gründen würden: Was würden Sie anders machen?

Kasten: Ich würde mir einen noch besseren Überblick über meine Wettbewerber sowie bereits existierende Lösungen verschaffen. Wir hatten am Anfang zwar eine Marktrecherche durchgeführt, hatten aber unterschätzt, wir intransparent der Markt für Ladeinfrastruktur ist. Von daher haben wir im Verlauf unserer Vorbereitungen und der Anlaufphase eher zufällig immer wieder von Unternehmen gehört, von denen wir dachten, die könnten gefährlich für uns werden. Die Sache ist die: Wenn es schon genug Wettbewerber auf dem Markt gibt, bedeutet das, dass viele Unternehmen in dem Markt aktiv sein können. Die große Herausforderung für ein junges Unternehmen ist dabei allerdings, sich mit seinem Angebot abzuheben und aus der Masse hervorzustechen. Das ist nicht so einfach. Hier hätten wir am Anfang gründlicher sein müssen, um unseren USP zu präzisieren.

Gut zu wissen. Gibt es noch ein weiteres Learning?

Kasten: Wir haben frühzeitig Kontakt zur garage33 aufgenommen. Das war auch gut so. Rückblickend hätten wir uns aber ruhig noch früher an das Gründungsnetzwerk wenden können, um Feedback zu unserer Idee einzuholen. Das Team der garage33 besteht zwar nicht aus Fachleuten für Ladeinfrastruktur, aber trotzdem hilft es einfach, eine Meinung zu bekommen und etwas Struktur in den Denkprozess zu bekommen. Man ist häufig einfach doch zu sehr in seine eigenen Bubble gefangen.

Mir fällt zum Beispiel immer wieder auf, wenn ich mir Pitches von Gründungsteams ansehe, dass es deutliche Qualitätsunterschiede zwischen denjenigen gibt, die von einem Gründungsnetzwerk wie der garage33 betreut wurden, und denjenigen, die keine Hilfe in Anspruch genommen haben. Denen würde ich gerne sagen, dass sie viel professioneller auftreten und viel mehr aus ihrer Idee herausholen könnten, wenn sie zu einem Gründungsnetzwerk gehen würden.

Kommen wir zur Zukunft von ladeplan. Wie sehen die nächsten Schritte aus?

Kasten: In diesem Jahr geht es darum, weiter profitabel zu wachsen und unser Team auszubauen. Wir werden den Marketing- und Salesbereich noch etwas pushen und unsere gesamte Softwarearchitektur weiter in Richtung Industriestandard professionalisieren. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur geht ja schnell voran. Aktuell haben wir in Deutschland 130.000 Ladepunkte. Bis 2030 soll es nach dem Willen der Bundesregierung eine Million sein. Der Bedarf für Standort- und Bedarfsplanungen ist also auf jeden Fall vorhanden.

ladeplan UG (haftungsbeschränkt)

Stand: Mai 2024

Die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW fördert das Exzellenz Start-up Center Ostwestfalen-Lippe (ESC.OWL) an der Universität Paderborn.