„Unser Coach hat uns beim Sprung ins Unternehmerleben immens nach vorne gebracht.“

v.l.n.r.: Peter Schlanstein, Niklas Steuer, Matthias Menne
© Pesto Fotografie

Eine akute Störung im Gasaustauch der Lunge ist eine der häufigsten und lebensbedrohlichsten Erkrankungen auf Intensivstationen. Aktuelle Therapien sind jedoch nicht frei von Komplikationen. Das soll sich ändern: Niklas Steuer, Dr. Matthias Menne und Dr.-Ing. Peter Schlanstein haben mit ihrer HBOX ein innovatives Therapieverfahren entwickelt. Es soll die Komplikationsraten und die Behandlungskosten reduzieren. Entwickelt haben die Gründer der HBOX Therapies GmbH ihr Verfahren an der RWTH Aachen und der Uniklinik RWTH Aachen. Zum notwendigen unternehmerischen Know-how der drei Wissenschaftler hat die RWTH Innovation beigetragen.

Herr Dr. Schlanstein, Herr Steuer, Sie haben gemeinsam mit Ihren Kollegen ein neuartiges Therapieverfahren für Lungenschäden entwickelt. Worum geht es dabei?
Dr.-Ing. Schlanstein: Wir möchten mit dem von uns entwickelten Verfahren die invasive Beatmung bei Lungenschäden vermeiden oder zumindest hinauszögern Ein Lungenschaden beziehungsweise eine akute respiratorische Insuffizienz kann zum Beispiel bei schweren Lungenentzündungen, Corona-Infektionen oder auch einer COPD also eine Krankheit der Lunge, die durch Husten, vermehrten Auswurf und Atemnot gekennzeichnet ist, auftreten. Dabei ist die Funktion der Lunge gestört. Der Körper wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und es wird nicht mehr genug Kohlenstoffdioxid eliminiert.

Steuer: Bislang werden die Patientinnen und Patienten in diesem Fall invasiv beatmet, wobei die Patientinnen und Patienten ins Koma gelegt und intubiert werden, das heißt einen Schlauch in den Hals bekommen. Diese Behandlung führt allerdings häufig zu Komplikationen. Wir haben daher ein Verfahren und ein Gerät entwickelt, das den Gasaustausch außerhalb der Lunge besonders effizient ermöglicht. Dazu wird unsere HBOX an die Blutgefäße angeschlossen. Das Blut zirkuliert dann in dem Gerät außerhalb des Körpers, es wird dabei mit Sauerstoff angereichert und der Kohlenstoffdioxidanteil wird verringert. Durch die hohe Effizienz kann die HBOX sehr klein sein, sodass potentiell weniger Komplikationen auftreten. Zusätzlich müssen die Patientinnen und Patienten bei der Behandlung nicht ins Koma gelegt werden, sodass sie selbst essen, trinken, sich mitteilen und Besuch empfangen können.

In welchem Kontext ist das Ganze entstanden?
Dr.-Ing. Schlanstein: Wir haben alle drei Maschinenbau studiert. Ich habe im Ingenieurwesen und Matthias in theoretischer Medizin promoviert – das Promotionsverfahren von Niklas läuft noch. Vor der Gründung von HBOX Therapies haben wir als Wissenschaftler am Institut für Angewandte Medizintechnik gearbeitet, das zur Arbeitsgemeinschaft Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik der RWTH Aachen gehört – nicht zu verwechseln mit der Helmholtz-Forschungsgemeinschaft. Das ganze Umfeld haben wir damals schon als sehr gründungsfreundlich erlebt, deswegen waren wir auch während unserer Forschungsarbeiten immer nah dran am Thema berufliche Selbständigkeit. Für uns war letztlich entscheidend, dass wir uns zu dritt als Team zusammengefunden haben und es uns einfach gereizt hat, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Niklas und ich hatten vorher schon länger zusammengearbeitet. Matthias kam etwas später dazu.

Ihr Weg hat Sie dann zur RWTH Innovation geführt?
Dr.-Ing. Schlanstein: Ja, wir haben mit Unterstützung der RWTH Innovation einen Antrag für das Förderprogramm EXIST-Forschungstransfer gestellt. Ich glaube, unser Unternehmen würde es ohne dieses Programm gar nicht geben. In der Medizintechnik sind die Entwicklungszeiten von den ersten Versuchen im Labor bis hin zu einem Proof of Concept sehr lang und auch sehr kostspielig. Das ist ohne eine Förderung kaum machbar. Deswegen war EXIST-Forschungstransfer für uns ideal.

Steuer: Nachdem klar war, dass wir den Zuschuss tatsächlich erhalten würden, haben wir uns für das Incubation Programm der RWTH Innovation beworben. Kurz darauf haben wir grünes Licht für die Teilnahme erhalten. Die folgenden drei Monate drehten sich dann intensiv um alle Fragen rund ums Gründen: Wie gründet man überhaupt ein Unternehmen? Was ist gesellschaftsrechtlich und patentrechtlich zu beachten? Das Programm hat uns einfach mit seinen vielen Infoveranstaltungen und Kontakten zu Anwälten bzw. Patentanwälten sowie zu anderen Instituten sehr gut durch den Gründungsweg gelotst. Dadurch konnten wir auch unser Netzwerk deutlich erweitern.

Gab es besondere Herausforderungen, die Ihnen zu schaffen gemacht haben?
Dr.-Ing. Schlanstein: Auf den ersten Blick war Corona natürlich eine große Hürde, weil dadurch der ganze Gründungsprozess verzögert wurde. Drei oder vier Wochen nachdem wir die Zusage für EXIST-Forschungstransfer erhalten hatten, kam der Lockdown. Damit hatten wir keinen Zugang mehr zu Laboren, Veranstaltungen usw. Wenn wir zurückblicken, haben wir diese Hürde aber überraschend gut bewältigt. Obwohl das Incubation Programm und auch der Austausch mit den Medizinerinnen und Medizinern an der Uniklinik RWTH Aachen fast nur noch virtuell ablief, hat das erstaunlich gut geklappt.

Das gilt übrigens auch für den RWTH Innovation Award 2020. Dass wir auf dem ersten Platz gelandet waren, haben wir per Videobotschaft erfahren. Gefreut haben wir uns natürlich trotzdem sehr darüber.

Der Sprung von der Wissenschaft in die Wirtschaft: Wie fühlt sich das an?
Dr.-Ing. Schlanstein: Wir sind ja noch mittendrin, aber bisher hat es Spaß gemacht. Zuvor haben wir im öffentlichen Dienst gearbeitet, wo aufgrund der Verwaltungsstrukturen viele Prozesse eher langsam ablaufen. Für uns ist es daher eine ganz neue Erfahrung, endlich einmal Dinge schnell umsetzen zu können, ohne lange Antragswege.

Steuer: Wer uns bei dem Sprung ins Unternehmerleben immens nach vorne gebracht hat, war unser Coach, der uns im Rahmen der Förderung durch EXIST-Forschungstransfer zur Seite gestellt wurde. Nicht nur wegen seiner unternehmerischen Erfahrungen, sondern auch, weil er sich in der Medizintechnikbranche bestens auskannte. Eine wichtige Rolle hat natürlich auch gespielt, dass wir uns mit ihm auf Anhieb sehr gut verstanden haben.

Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?
Steuer: Voraussichtlich bis zum Jahreswechsel werden wir Investoren an Bord haben. Und dann geht es mit der Entwicklung unseres Produkts entsprechend der EU-Medizinprodukte-Verordnung weiter. Ziel ist es, dass wir im nächsten Jahr die HBOX als Medizinprodukt weiterentwickeln, um dann die Produktion aufzubauen. Danach stehen CE-Zertifizierung, Vermarktung und Vertrieb an.

Welche Tipps haben Sie für andere Gründerinnen und Gründer parat?
Dr.-Ing. Schlanstein: Auf jeden Fall sollte man sich um eine Förderung wie EXIST-Forschungstransfer oder EXIST-Gründerstipendium bemühen. Die Programme sorgen einfach für Freiraum, so dass man sich auf die Unternehmensgründung und Produktentwicklung konzentrieren kann. Ein weiterer Tipp: So viel netzwerken wie möglich und auch eigene Netzwerke aufbauen. Das hat uns immer sehr geholfen: Leute nach deren Erfahrungen oder geeigneten Kontakten zu fragen.

Steuer: Wobei man aber auch lernen muss, nicht jedem Rat blind zu folgen. Die meisten Leute geben Tipps aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen. Am Ende muss man sehen, ob das zu einem passt.

Was ich noch ergänzen würde, ist das Team: Als Gründerin oder Gründer durchschreitet man zwangsläufig auch einige Täler. Damit kommt man im Team einfach viel besser zurecht, als wenn man alleine gründet. Diese Erfahrung hat uns sehr zusammengeschweißt.

 

Weitere Informationen:
HBOX Therapies GmbH

Stand: November 2022

 
Die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW fördert das Projekt „Building Europe’s leading integrated Tech Incubator“ an der RWTH Aachen.