„Im Mittelpunkt der Gespräche mit dem REACH stand immer wieder die Frage, wie der Transfer unseres Wissens aus der Forschung in die Praxis gelingen kann.“
Hochwasser, Stromausfälle, Orkanstürme – Kommunen müssen in Krisensituationen schnell und gezielt reagieren. Dr. Adam Widera und Dr. Michael Middelhoff vom ERCIS Kompetenzzentrum für Krisenmanagement an der Universität Münster haben mit CrisisCube daher eine Lösung entwickelt, die die kommunale Verwaltung bei der Vorbereitung auf Krisen unterstützen soll. Noch stecken die beiden Gründer mitten in den Vorbereitungen für den Markteintritt. Jede Menge Rückenwind erhalten sie dabei durch das REACH – EUREGIO Start-up Center.
Herr Dr. Middelhoff, Herr Dr. Widera, Sie entwickeln eine Software, die Kommunen beim Aufbau eines Krisenmanagements helfen soll. Worum geht es dabei?
Dr. Middelhoff: Die Software ist nur ein Teil unseres Angebots, mit dem wir insbesondere kleine und mittlere Kommunen dabei unterstützen möchten, sich für Krisensituationen aufgrund von Hochwasser, Stromausfall, Sturmschäden und Ähnlichem zu wappnen. Wir unterstützen darüber hinaus den Aufbau von administrativen Strukturen für die Krisenstäbe und die Erstellung von Szenarien. Das Besondere ist dabei, dass sich jedes Szenario an den genauen Bedingungen der jeweiligen Stadt bzw. Region, wie Größe, Gewässer und Umgebung, orientiert. Hinzu kommt, dass jedes Szenario mit bestimmten Übungsaufgaben verknüpft ist. Sie richten sich an die Mitarbeitenden der kommunalen Verwaltung, aber auch an die Feuerwehr und andere relevante Einrichtungen.
Und diese Übungsaufgaben finden die Nutzerinnen und Nutzer alle in Ihrer Software?
Dr. Widera: Nein, für die Implementierung eines effektiven Krisenmanagements reicht es nicht aus, einfach nur auf eine Software zu verweisen. Wir sprechen von sozio-technischen Systemen, in denen Prozesse und Strukturen, Technologien und vor allem die Menschen im Vordergrund stehen. Es braucht auch Beratung und Training vor Ort. Wobei wir den größten Lerneffekt durch Katastrophenschutzübungen sowie die Festlegung von Verantwortungsbereichen erzielen. Wer ist zum Beispiel dafür zuständig, dass bestimmte Geräte und weitere Hardware wie Wasserpumpen, Sandsäcke usw. dort landen, wo sie gebraucht werden? Wer ist für die Wartung zuständig? Wissen alle Beteiligten Bescheid, wie die Geräte funktionieren? Welche Hierarchie- und Kommunikationsketten müssen im Notfall berücksichtigt werden? Usw. Letztlich geht es darum, vor Ort Strukturen und Zuständigkeiten aufzubauen und regelmäßig zu erproben. Sie sorgen dafür, dass im Notfall schnell und zuverlässig reagiert werden kann.
Sie haben vor allem mittlere und kleinere Kommunen im Visier. Warum?
Dr. Middelhoff: Kreisfreie Städte und Landkreise sind gesetzlich dazu verpflichtet, sich auf verschiedene Krisensituationen vorzubereiten. Dafür gibt es bereits eine Reihe von Übungsangeboten. Für mittlere und kleinere Städte wird es in Zukunft eine vergleichbare Verpflichtung geben. Unabhängig davon ist den Kommunen und erst recht der Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk vor Ort natürlich schon jetzt bewusst, wie wichtig gerade auch in ländlichen Gebieten Vorsorgemaßnahmen für den Notfall sind.
In welchem Kontext ist Ihre Idee entstanden?
Dr. Widera: Wir arbeiten seit rund 15 Jahren im ERCIS Competence Center for Crisis Management an der Universität Münster und haben dabei zum Beispiel gemeinsam mit dem Technischen Hilfswerk, dem Deutschen Roten Kreuz, aber auch internationalen Organisationen wie dem Office for the Coordination of Humanitarian Affairs der Vereinten Nationen vielfältige Prototypen entwickelt und evaluiert. Dabei ist uns immer wieder aufgefallen, dass insbesondere der ländliche Raum beim Thema Krisenvorsorge zu wenig berücksichtigt wird. Das hat man nicht zuletzt bei der Flut im Ahrtal 2021 deutlich gesehen. Wir haben uns damals im Nachgang zu der Hochwasserkatastrophe mit dem Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen und anderen Playern zusammengesetzt, um die Ereignisse im Ahrtal zu analysieren. Dabei konnten wir ganz bestimmte Herausforderungen und Bedarfe für den Katastrophenschutz identifizieren. Das Problem war allerdings, dass es keine Anbieter gab, die gerade kleineren Kommunen hätten individuelle Lösungen anbieten können. Von daher haben Michael und ich irgendwann gesagt: Dann machen wir das. Lass uns unsere Erfahrungen nutzen und in Zusammenarbeit mit den Anwendern eine Lösung entwickeln und auf den Markt bringen.
Bei Ihren Gründungsvorbereitungen wurden Sie vom REACH – EUREGIO Start-up Center der Uni Münster unterstützt. Wie sah diese Unterstützung aus?
Dr. Middelhoff: Im Mittelpunkt der Gespräche mit dem REACH stand immer wieder die Frage, wie der Transfer unseres Wissens und unsere Erfahrungen aus der Forschung in die Praxis gelingen kann. Wie muss unser Angebot beschaffen sein, damit es auf dem Markt eine Chance hat? Wie erhalten wir überhaupt Zugang zum Markt? Für uns bedeutete das, einen Perspektivwechsel vorzunehmen und die Rolle des Wissenschaftlers gegen die Rolle des Unternehmers auszutauschen. Die Gespräche mit dem REACH-Team haben uns dabei sehr geholfen. Darüber hinaus haben natürlich die vielen Workshops und Coachings rund um die Themen Steuern, Personal, Finanzierung, Marketing usw. dafür gesorgt, dass wir ein solides Know-how für unsere Gründung erhalten haben.
Haben Sie den Eindruck, dass Ihnen der Schritt aus der Wissenschaft in Richtung Unternehmertum gut gelungen ist?
Dr. Widera: Wir befinden uns mitten in diesem Prozess, bei dem uns das REACH sehr gut begleitet. Der Punkt ist ja, dass wir in der Forschung beim Thema Krisenmanagement einen sehr hohen Innovationsgrad haben. Nur: In der praktischen Anwendung vor Ort macht der sich bisher kaum bemerkbar. Wir müssen also die Anwenderinnen und Anwender im Blick haben und sehen, was technisch umsetzbar und gleichzeitig organisatorisch und fachlich gewünscht ist.
Mit welchen Herausforderungen haben Sie darüber hinaus zu kämpfen?
Dr. Middelhoff: Eine der zentralen Herausforderungen ist, unser Produkt für potenzielle Anwenderinnen und Anwender so zu gestalten, dass es auch in der Praxis eingesetzt werden kann. Dass der Mehrwert für das kommunale Krisenmanagement deutlich wird. Und da merken wir, dass es etwas ganz Anderes ist, ob ich als Wissenschaftler auftrete oder als Anbieter einer kostenpflichtigen Lösung für Kommunen, die größtenteils mit spitzem Bleistift kalkulieren müssen. Von daher sind wir sehr froh, Sparringspartner beim REACH zu haben, die dann zum Beispiel sagen: „O.k., ich verstehe das aus der akademischen Perspektive, aber jetzt nimm mich mal mit: Wie würdest Du das einem Bürgermeister, einer Bürgermeisterin erklären?“
Dr. Widera: Eine weitere Herausforderung betrifft das Zeitmanagement. Aktuell sind wir hauptberuflich an der Universität Münster beschäftigt. Das heißt, uns stehen nur die Wochenenden und Abende zur Verfügung, um unsere Gründung vorzubereiten. Das kann ziemlich anstrengend sein.
Und es gibt noch ein weiteres Thema: Mit dem Start unseres Unternehmens im nächsten Jahr werden wir schrittweise mehr Zeit in CrisisCube investieren und Unternehmer werden. Das geht einher mit einer gewissen Unsicherheit, mit unregelmäßigen Einkünften und einem viel größeren Verantwortungsbereich. Das ist mental und emotional ein ziemlich großer Schritt. Umso dankbarer sind wir für die Gespräche mit den vielen Gründerinnen und Gründern aus dem REACH-Netzwerk. Die haben uns einfach sehr viel Mut gemacht und uns motiviert, unseren Weg zu gehen.
Können Sie denn auch schon auf erste Erfolge zurückblicken?
Dr. Middelhoff Ich denke, ein großer Erfolg war und ist auf jeden Fall, dass wir die Situation in den kleineren Städten in puncto Krisenmanagement richtig eingeschätzt haben. Sowohl Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen als auch der Feuerwehr haben uns mehrfach bestätigt, dass aufgrund der wachsenden Bedrohungslage einfach ein Umdenken notwendig ist, das zu anderen Strukturen und größeren Verantwortungsbereichen auf kommunaler Ebene führen muss.
Dr. Widera: Ein weiterer Erfolg ist, dass die Städte, mit denen wir hier im Münsterland schon kleinere Testläufe durchgeführt haben, sehr positiv reagiert haben. Dabei haben wir einen sehr guten Einblick in die jeweilige Lage vor Ort erhalten. In dem Zusammenhang war für uns auch die internationale Konferenz ISCRAM Information Systems in Crisis Response and Management unglaublich hilfreich. Sie wurde 2024 gemeinsam vom ERCIS und dem Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen ausgerichtet. Die Impulse, die wir dort für die Weiterentwicklung unserer Idee erhalten haben, haben uns einen großen Schritt weitergebracht. Nicht zuletzt ist aus den vielen Kontakten auch ein Netzwerk entstanden, von dem wir vor allem auch in der Wachstumsphase unseres Unternehmens sehr profitieren werden.
Es scheint also alles auf einem guten Weg zu sein. Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?
Dr. Widera: Wir planen, unser Start-up CrisisCube bis spätestens Februar 2025 formell zu gründen. Wir haben bereits einen ersten Auftrag, mit dem wir im April starten werden. Außerdem werden wir uns natürlich mit der weiteren Akquise beschäftigen und uns dabei zunächst einmal auf das Münsterland bzw. Nordrhein-Westfalen konzentrieren. Es stehen also jede Menge Aufgaben an. Da ist es einfach gut, wenn man jemanden wie das REACH-Team hat, das einem sagt, wann es Zeit ist, sich mit den Formalia einer Unternehmensgründung oder mit der Akquise neuer Kommunen zu beschäftigen usw. – und dabei ein gutes Tempo vorgibt.
Stand: Dezember 2024
Die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW fördert das REACH EUREGIO Start-up Center der Universität Münster.
- Start-up Talk
- Interview mit Dr. Adam Widera und Dr. Michael Middelhoff, Gründungsteam CrisisCube
- Interview mit David Goldschmidt und Finn Rübo, Co-Founder der Datapods GmbH
- Interview mit Maximilian Spiekermann und Max Krause, Gründungsteam Simplyfined
- Interview mit Dana Aleff, Co-Founderin der Circonomit GmbH
- Interview mit Pia Hildebrandt, Co-Founderin der concepte Solutions GbR
- Interview mit Moritz Schmidt, Co-Founder der utilacy GmbH
- Interview mit Tobias Barg und Dr. Felix Sümpelmann, Co-Founder der aalto Health GmbH
- Interview mit Dr. Katharina C. Cramer, Gründungsteam Tiller Alpha
- Interview mit Felix Kathöfer, Co-Founder der KATMA CleanControl GmbH
- Interview mit Ronja Weidemann, Fabienne Ryll und Abirtha Suthakar, Gründungsteam PhosFad
- Interview mit Benjamin Kasten, Co-Founder der ladeplan UG (haftungsbeschränkt)
- Interview mit Prof. Dr. Rafael Kramann, Prof. Dr. Rebekka Schneider, Co-Founder der Sequantrix GmbH
- Interview mit Yasin Demir, Co-Founder der GreenDeal GbR
- Interview mit Katharina von Stauffenberg, Co-Founderin von comuneo
- Interview mit Sven Maihöfer, Co-Founder der xemX materials space exploration GmbH
- Interview mit Dr. Johannes Wappenschmidt, Co-Founder der Vintus GmbH
- Interview mit Tobias Burger, Co-Founder der red cable robots GmbH
- Interview mit Philipp Pflüger, Co-Founder der ChemInnovation GmbH
- Interview mit Deniz Ates, Co-Founder der Who Moves UG (haftungsbeschränkt)
- Interview mit Jakob Vanhoefer, Gründer der LightningPose GmbH
- Interview mit Dr. Reza Esmaillie, Co-Founder der Detechgene GmbH
- Interview mit Lukas Klaßen, Co-Founder von „Knowledge in a Box“
- Interview mit Dr. Philipp Wrycza, Co-Founder der Logistikbude GmbH
- Interview mit Christoph Milder, DEVITY-Team
- Interview mit Jonas Spieth, Co-Gründer der lodomo GmbH
- Interview mit dem Gründungsteam der Laminar Solutions UG (haftungsbeschränkt)
- Interview mit Alexander Pöhler und Xiaojun Yang, Gründungsteam der assemblean GmbH
- Interview mit Marc Leonard Leineweber, Gründungsteam HoLa
- Interview mit Dr. Niklas Hellemann, Co-Founder der SoSafe
- Interview mit Hendrik Bissing, Gründungsteam SLVISIONS
- Interview mit Elena Kirchner, Co-Gründerin der umaversum reproductive health GmbH
- Interview mit Gerrit Agel, Co-Gründer der CYBRID GbR
- Interview mit Lena Benecken, Co-Gründerin der EASI Control GmbH
- Interview mit Sinem Atilgan, Co-Grünerin der 4traffic SET GmbH
- Interview mit Doris Korthaus, Co-Gründerin der Korthaus Pumpen GmbH
- Interview mit Dr.-Ing. Friederike Kogelheide, Gründungsteam Glim Skin
- Interview mit Moritz Schmidt, Teammitglied von Gemesys
- Interview mit Dr. Alexander Schneider und Michael Birkhoff, Co-Gründer der schnaq GmbH
- Interview mit dem Gründungsteam von Acuire
- Interview mit Dr.-Ing. Peter Schlanstein und Niklas Steuer, Co-Gründer der HBOX Therapies GmbH
- Interview mit Sven Wauschkuhn, Co-Gründer der Excellence Coatings GmbH
- Interview mit Anne Janser, Co-Gründerin von WorXplorer
- Interview mit Paul Sabarny und Lilian Schwich, Gründungsteam der cylib GmbH
- Interview mit Stefan Paulus, Co-Gründer der azernis GmbH
- Interview mit Steffen Gerlach, Co-Gründer der EEDEN UG (haftungsbeschränkt)
- Interview mit Sandra Stoppert, Gründerin von „Grünes Konfetti“ und „Tanzraum Remscheid“
- Interview mit Dr. David Dung, Gründungsteam Midel Photonics
- Interview mit Dr. Michael Schmidt, Co-Gründer von ESKITEC
- Interview mit Magnus Schückes, Co-Gründer der Elona Health GmbH
- Interview mit Alexander Haufschild, Co-Gründer der socialbnb GmbH
- Interview mit Jan Bernholz, Co-Gründer der eseidon GmbH“
- Interview mit Dr. Robert Brüll, Co-Gründer der FibreCoat GmbH
- Interview mit Dr. Matthias Kiel, Geschäftsführer der qubeto GmbH
- Interview mit Marius Ruhrmannm, Geschäftsführer der MapAd GmbH
- Interview mit Sigrid Dispert, Gründungsteam Memogic
- Interview mit Nathalie Prokop, Co-Gründerin von noho
- Interview mit Michael Rieger, Co-Gründer der FreeD Printing GmbH
- Interview mit Dr. Timo Bathe und Alexander Ott, die Gründer der [Tool]Prep UG (haftungsbeschränkt)
- Interview mit Sarah Theresa Schulte, Co-Gründerin der AllCup GbR
- Interview mit Christoph Seidenstücker, Co-Gründer der Pixel Photonics UG
- Jochen Schwill, Next Kraftwerke GmbH
- Thomas Roth, Co-Gründer des Medizintechnik-Start-ups InnoSurge AC
- Start-up Profiles