„Wenn man aus dem Wissenschaftskontext kommt, ist es nicht so einfach, die vertriebliche Brille aufzusetzen.“

Dr.-Ing. Friederike Kogelheide und Manuel Schröder
© RUB Marquard

Wie der Weg von der Forschung zum praktischen Produkt aussehen kann, zeigt das Beispiel von Dr.-Ing. Friederike Kogelheide und Manuel Schröder. Das Gründungsteam von Glim Skin plant gerade den Markteintritt für ein elektronisches Gerät, das kosmetische Hautprobleme wie zum Beispiel Pickel beseitigt. Dahinter steckt ein plasmabasiertes Verfahren, das an der Ruhr-Universität Bochum aufbauend auf dem Promotionsprojekt von Friederike Kogelheide für private Verbraucherinnen und Verbraucher für die Anwendung zuhause weiterentwickelt wurde. Im folgenden Interview beschreibt sie, wie ihr der Sprung von der Wissenschaftlerin zur Gründerin mit Hilfe des Worldfactory Start-up Centers an der Universität Bochum sowie dem Programm HIGH-TECH.NRW gelungen ist.

Frau Dr. Kogelheide, Sie haben ein Gerät auf Basis einer innovativen Plasmatechnologie entwickelt, das bei Hautproblemen eingesetzt werden kann. Bevor Sie uns verraten, worum es dabei geht, zunächst die Frage: Was ist Plasma?

Dr. Kogelheide: Plasma wird im Allgemeinen als der vierte Aggregatzustand beschrieben. Die ersten drei Aggregatzustände sind fest, flüssig und gasförmig. Plasmen gibt es viele im Universum, zum Beispiel in Sternen oder Polarlichtern. Plasma entsteht, indem einem Gas, wie zum Beispiel Wasserdampf, (elektrische) Energie hinzugefügt wird. Dieses Gas wird dadurch teilweise ionisiert und es entsteht ein Gemisch aus Ionen, Elektronen und neutralen Teilchen. Das ist Plasma.

Darum ging es auch bei Ihrer Forschungsarbeit?

Dr. Kogelheide: Ja, ich habe mich in meiner Doktorarbeit am Lehrstuhl für Angewandte Elektrodynamik und Plasmatechnik an der Ruhr-Universität Bochum mit der biomedizinischen Anwendung von Plasmatechnik beschäftigt. Die Arbeit war in ein Forschungsprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingebettet, das sich mit dem Einfluss von Plasma auf menschliche Zellen beschäftigte. Es hat sich dann relativ schnell herauskristallisiert, dass eine Plasmabehandlung allerhand entzündliche Hautirritationen, wie zum Beispiel Pickel, lindern und den Wundheilungsprozess anregen kann.

Und daraus ist dann die Idee für Ihr Produkt entstanden?

Dr. Kogelheide: Richtig. Wir möchten die Vorteile der Plasmaeigenschaften möglichst vielen Menschen mit Hautproblemen zugänglich machen und haben ein Gerät entwickelt, das ähnlich wie eine elektrische Gesichtsbürste gehandhabt wird. Durch den Kontakt des Plasmas mit der Haut wird ihre Heilkraft aktiviert und der Körper bei der Bekämpfung von Pickeln unterstützt.

Unsere Anwendung zeichnet sich dadurch aus, dass keine chemischen Zusatzstoffe oder Medikamente zum Einsatz gegen Pickel benötigt werden.

Sie richten sich ausschließlich an Jugendliche mit unreiner Haut. Warum?

Dr. Kogelheide: Ich habe selbst als Jugendliche unter Hautirritationen und Pickeln gelitten und weiß, wie sehr das am Selbstbewusstsein kratzt. Der Leidensdruck bei Jugendlichen ist heute sogar noch größer, weil durch die digitalen Medien das Schönheitsideal der reinen Haut so gehypt wird. Deswegen haben wir uns im ersten Schritt auf diese Zielgruppe konzentriert. Natürlich kann unser Gerät aber auch von anderen Menschen, die unter ihrem Hautbild leiden, genutzt werden.

Sie sprechen von „wir“. Wer gehört zum Gründungsteam?

Dr. Kogelheide: Wir sind zu zweit: Manuel Schröder und ich. Wir sind beide ausgebildete Elektrotechniker. Manuels Aufgabenfeld liegt im Bereich Marketing und Vertrieb. Beides ist für die Umsetzung unserer Idee unerlässlich. Er hat sich in den letzten Jahren im Bereich Webdesign und Fotografie selbständig gemacht. Von daher passt das sehr gut. Ich kümmere mich aktuell um die Entwicklung und Fertigung unseres Produktes sowie um Finanzierungsfragen und das ganze organisatorische Drumherum.

Bei diesem „Drumherum“ werden Sie von der WORLDFACTORY, dem Start-up Center der Ruhr-Universität Bochum unterstützt.

Dr. Kogelheide: Ich bin ein großer Fan der WORLDFACTORY. Das Team mit seiner langjährigen Erfahrung weiß eigentlich immer Rat und wenn nicht, wird man an jemanden aus dem weit verzweigten Netzwerk weitergeleitet, der einem weiterhilft. Insgesamt profitieren wir sehr davon - sowohl von den konstruktiven Vorschlägen als auch von den kritischen Rückfragen.

Gab es denn auch größere Herausforderungen, vor denen Sie während Ihrer Gründungsvorbereitungen standen?

Dr. Kogelheide: Wenn man wie ich aus dem Wissenschaftskontext kommt, ist es nicht so einfach, die vertriebliche Brille aufzusetzen und klar zu sehen, wie das Produkt am besten zum Endkunden kommt. Insofern war es auch kein Wunder, dass es im Rahmen der Beantragung des EXIST-Gründerstipendiums genau dazu auch die meisten kritischen Rückfragen gab. Da hieß es immer wieder: „Ja, wir finden die Technologie auch toll, aber erklär uns doch mal, wie du den Markteintritt schaffen möchtest?“ Ich glaube, die Beantwortung dieser Frage war für mich persönlich die größte Hürde.

Sie haben bis Ende November 2022 an High-tech.NRW teilgenommen. Wobei hat der Accelerator Ihnen weitergeholfen?

Dr. Kogelheide: HIGH-TECH.NRW war das erste Accelerator-Programm, für das wir uns beworben hatten. Mein Eindruck ist, dass wir nach den drei Monaten deutliche Fortschritte insbesondere beim Marketing und bei der Produktentwicklung gemacht haben. Durch die häufigen Präsentationen unserer Geschäftsidee vor den Mentorinnen und Mentoren sowie Netzwerkpartnern waren wir immer wieder gefordert, unsere Produktentwicklung und unternehmerische Zielsetzung kritisch zu hinterfragen. Da wurde auch nochmal offensichtlich, dass wir beide aus der Wissenschaft kommen und mit dem Thema Vertrieb einfach nicht so vertraut waren. Das ist jetzt anders. Man kann wirklich sagen, dass wir enorm von den Erfahrungen der Branchenkenner, Mentorinnen und Mentoren profitiert haben.

Dies WORLDFACTORY verfügt ebenfalls über ein großes Netzwerk. Worin besteht Ihrer Ansicht nach der Unterschied?

Dr. Kogelheide: HIGH-TECH.NRW richtet sich an Hochtechnologie-Start-ups. Die Kompetenzen der Gesprächspartner liegen daher ganz klar in diesem Bereich. Die Nähe zur Industrie bzw. zu den jeweiligen Branchen ist auch enger, so dass man Fragen zum Markteintritt wesentlich konkreter besprechen kann. Das Angebot schließt sich im Grunde ideal an die Betreuung durch die WORLDFACTORY an. Letztere betreut einen bei der Beantragung von Förderprogrammen und während der Förderphase. HIGH-TECH.NRW setzt danach an.

Inzwischen steht auch fest, wie Sie Ihre Kunden erreichen, oder?

Dr. Kogelheide: Ja, wir bauen derzeit einen eigenen Onlineshop auf.
Außerdem haben wir über die WORLDFACTORY ein Designbüro kennengelernt, das uns beim Markenaufbau unterstützt. Die Zusammenarbeit funktioniert wirklich sehr gut. Darüber hinaus sind wir gerade im Gespräch mit verschiedenen Fachleuten im Bereich Marketing und Vertrieb.

Bevor Sie Ihr Kosmetikgerät auf den Markt bringen, müssen Sie noch eine CE-Zertifizierung durchlaufen.

Dr. Kogelheide: Genau. Damit beschäftigen wir uns gerade. Wir brauchen die CE-Zertifizierung, um unser Kosmetikgerät auf dem europäischen Markt anzubieten. Zum Glück unterstützen uns aber die Fachleute des TÜV bei dem ganzen Zertifizierungsprozess sehr gut. Die wichtigste Voraussetzung für die Zertifizierung ist, dass wir unser Produkt finalisieren. Vor dieser Aufgabe stehen wir gerade.

Dafür brauchen Sie einen produzierenden Betrieb. Wie ist das, wenn man sich da als Gründerin auf die Suche begibt?

Dr. Kogelheide: Gute Frage. Die Resonanz ist sehr unterschiedlich. Teilweise trifft man auf ein offenes Ohr, weil viele dieser Betriebe irgendwann auch einmal klein angefangen haben. Andere winken ab, weil ihnen das Risiko, mit einem Start-up zusammenzuarbeiten, zu groß ist. Aber man darf sich nicht unterkriegen lassen und mit möglichst vielen Menschen sprechen, dann findet man auch jemanden, der die Idee unterstützt und in der Lage ist, das Projekt mit einem voranzutreiben. Wir haben jedenfalls inzwischen ein Unternehmen gefunden, das bereit ist, mit uns zusammenzuarbeiten.

Haben Sie noch ein, zwei Tipps für andere Gründerinnen und Gründer parat?

Dr. Kogelheide: Das Wichtigste ist, lieber zu früh als zu spät auf jemanden zuzugehen, wenn man bei bestimmten Fragen nicht weiterkommt. Das wird oft vernachlässigt, obwohl man während des ganzen Gründungsprozesses immer wieder mit Aufgaben oder Hürden zu tun hat, die außerhalb des eigenen Kompetenzbereichs liegen. Sich da ein gutes Netzwerk zu erarbeiten, bei dem man weiß, dass man jederzeit jemanden um Rat fragen kann, ist sehr viel wert.

 

Weitere Informationen:

Glim Skin

Die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW fördert das WORLDFACTORY Start-up Center an der Ruhr-Universität Bochum.