„Der Mitarbeiter des Gründungszentrums der FH Aachen hat bei unserer Idee gleich Feuer gefangen.“

v.l.n.r.: Alexander Kotelnikow, Sinem Atilgan, Henric Breuer und Krzysztof Zibur
© 4traffic SET GmbH

Das Thema Digitalisierung steht bei zahlreichen Städten und Gemeinden schon lange auf der Agenda. Passiert ist bislang allerdings noch nicht allzu viel. Das möchte das Gründungsteam der 4traffic SET GmbH ändern. Bereits 2018 haben Henric Breuer und Alexander Kotelnikow im Rahmen eines Forschungsprojekts an der RWTH Aachen an einer Detektorbox zur Erfassung von Verkehrsdaten gearbeitet. Mit Gründung der GmbH kamen auch Sinem Atilgan, Krzysztof Zibur und Mona Eden an Bord. Gemeinsam haben sie die ursprüngliche Idee zu einer modularen Box mit Sensoren zur Echtzeiterfassung des Verkehrs- und Passantenflusses sowie von Umweltdaten weiterentwickelt. Sie soll Kommunen den Weg zur Smart City ebnen.

Frau Atilgan, Sie bieten gemeinsam mit Ihren Co-Foundern eine Detektorbox zur Erfassung von Verkehrsdaten an. Was genau kann man sich darunter vorstellen?
Atilgan: Henric und Alex haben auf Basis eines Forschungsprojekts an der RWTH Aachen eine Detektorbox entwickelt, die Verkehrs-, Passantenfluss- und Umweltdaten in Echtzeit und parallel erfasst. Zu den Anwendungen gehören zum Beispiel die Fahrgastzählung im öffentlichen Nahverkehr und Maßnahmen der Innenstadtwiederbelebung oder Event-Ressourcenmanagement. Erträge und Ausfälle von Photovoltaikanlagen werden genauso wiedergegeben wie Füllstände von Mülleimern in städtischen Parks. Erfasst werden auch Kohlendioxid-, Feinstaub-, Lärmemissionen und vieles mehr.

Bei der Detektorbox handelt es sich quasi um einen universalen Smart-City-Adapter, der in der Lage ist, sehr schnell die Sensorik per Plug-and-Play in die kommunale Infrastruktur zu integrieren. Die Box nutzt als Übertragungsnetzwerk u. a. LoRaWAN – eine etablierte Smart-City-Technologie, die einen schnellen Arbeitsstart sowie einen kostengünstigen, energieeffizienten Betrieb ermöglicht. So etwas gibt es bisher noch nicht. Vor allem nicht in Kombination mit Workshops, die wir zukünftig gemeinsam mit Kommunen, Stadtwerken oder auch der Logistikbranche durchführen, um Anwendungsfelder zu identifizieren und gemeinsam eine Roadmap für die konkrete Nutzung zu entwickeln.


Dem Team von traffic SET gehören fünf Personen an. Können Sie etwas zu ihren Co-Foundern sagen?
Atilgan: Henric Breuer und Alex Kotelnikow waren an dem Forschungsprojekt EnDyVA der RWTH Aachen beteiligt. Henric ist Datenwissenschaftler und Geschäftsführer von 4traffic SET. Alex ist Maschinenbauingenieur und für die technische Leitung zuständig. Nachdem feststand, dass die beiden die von ihnen entwickelte Detektorbox auf den Markt bringen möchten, haben sie das Team erweitert: um noch Krzysztof Zibur, Mona Eden und mich. Krzysztof ist Full-Stack-Entwickler und leitet den Bereich Softwareentwicklung, Mona hat Informatik studiert und kümmert sich um die Webentwicklung. Ich habe Wirtschaftsingenieurwesen mit Fachrichtung Maschinenbau studiert und habe das operative Geschäft unseres Start-ups im Blick.

Uns allen war früh klar, dass wir als Gruppe sehr gut funktionieren und gemeinsam etwas Eigenes auf die Beine stellen wollen. Im Rahmen unserer Fähigkeiten glauben wir, unseren Beitrag zu einer nachhaltigen Digitalisierung von urbanen Räumen leisten zu können.


Bei Ihren Gründungsvorbereitungen wurden Sie von der RWTH Aachen und der FH Aachen unterstützt. Wie sah diese Unterstützung aus?
Atilgan: Zunächst einmal hat uns die RWTH Innovation GmbH der RWTH Aachen bei der Beantragung des EXIST-Gründerstipendiums unterstützt. Das war schon mal sehr hilfreich. Gegründet haben wir dann relativ schnell, weil wir für die Teilnahme an weiteren durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr geförderten Forschungsprojekten mit der RWTH und der FH ein eingetragenes Unternehmen benötigten.

Nach der Gründung sind natürlich jede Menge Fragen aufgekommen:
Finanzierung, Unternehmensorganisation, Teambuilding usw. Wir haben damals schon an vielen Veranstaltungen teilgenommen und im digitalHUB Aachen dann zufällig einen Mitarbeiter des Gründungszentrums der FH Aachen kennengelernt, der bei unserer Idee gleich Feuer fing. Die Chemie zwischen uns hat sofort gestimmt. Das Tolle ist ja, dass das Start-up-Ökosystem in Aachen sehr eng vernetzt ist und man als Gründerin oder Gründer an vielen Stellen die Unterstützung bekommt, die man braucht. Da gibt es auch kein Konkurrenzdenken zwischen den verschiedenen Playern.


Können Sie sagen, was Ihrer Meinung nach bisher besonders gut lief?
Atilgan: Viele Kommunen erkennen zunehmend, dass Smart City mehr als die Organisation des Individualverkehrs bedeutet. Es geht vor allem auch um die Frage, wie Innenstädte lebenswerter gestaltet werden können. Wir hatten allerdings Zweifel, ob wir bei den langen Umsetzungsphasen auf unsere Kosten kommen würden, wenn wir uns ausschließlich auf Kommunen als Auftraggeber konzentrieren würden. Nach vielen Gesprächen mit Ansprechpartnern der FH und RWTH Aachen, im digitalHUB Aachen und weiteren Netzwerkpartnern wurde uns dann klar, dass nicht nur Kommunen, sondern auch Stadtwerke und darüber hinaus auch die Logistikbranche interessante Anwendungsfelder bieten. Das sind praktisch ganz neue Märkte, mit denen wir uns jetzt auseinandersetzen werden.


Mit welchen weiteren Herausforderungen hatten oder haben Sie zu tun?
Atilgan: Wir haben unterschätzt, wie lange es dauern würde, bis ein Projekt tatsächlich umgesetzt wird. Das betrifft weniger die Technik – die ist schnell aufgebaut –, sondern die Kommunikations- und Entscheidungsprozesse zwischen den Stakeholdern. Das hatten wir so nicht erwartet. Ein Learning war auch, dass wir früher mit Teambuilding-Maßnahmen hätten beginnen sollen. Wir haben im Rahmen der Förderung durch das EXIST-Gründerstipendium an einem Teambuilding-Coaching teilgenommen und uns dabei intensiv über unsere unternehmerischen Ziele unterhalten. Hätten wir uns schon früher darüber Gedanken gemacht, wären vielleicht wichtige Aufgaben wie zum Beispiel die Anschlussfinanzierung noch früher in unserem Arbeitsplan eingetaktet und Aufgaben aus dem Tagesgeschäft effizienter priorisiert.


Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?
Atilgan: Akquise und Teamerweiterung sind die beiden großen Themen, die jetzt anstehen. Wir werden uns bei unserem Angebot zunächst auf eine Anwendung konzentrieren, um unseren Fokus klar zu setzen, und dafür Auftraggeber akquirieren. Und was das Team betrifft, erhalten wir demnächst Verstärkung durch HiWis sowie Praktikantinnen und Praktikanten der FH Aachen.


Haben Sie noch einen Tipp für andere Gründerinnen und Gründer parat?
Atilgan: Wenn man seinen Job für eine unternehmerische Selbstständigkeit aufgibt oder sich direkt nach dem Studium selbstständig macht, sollte man sich über die Konsequenzen bewusst sein. Ein Unternehmen ist schnell gegründet, aber das Hineinwachsen in die Unternehmerinnen- bzw. Unternehmerrolle braucht seine Zeit. Man muss lernen, mit Kunden und Projektpartnern zu sprechen, und braucht Geduld, bis das erste Projekt unter Dach und Fach ist. Hinzu kommt, dass gerade in der Anfangszeit sehr viel zu tun ist. Aber dafür bekommt man auch viel zurück.
Man macht etwas Eigenes. Man verwirklicht sich zusammen im Team und bewegt etwas. Das ist eine sehr schöne Erfahrung.



Weitere Informationen:
4traffic SET GmbH




Die FH Aachen hat in den vergangenen Jahren ihre Sensibilisierungs- und Unterstützungsangebote für Gründungsinteressierte ausgebaut.

Die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW fördert das Projekt Building Europe's leading integrated Tech Incubator an der RWTH Aachen.

Das Interview wurde der Broschüre „Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Nordrhein-Westfalen: Sprungbrett für innovative Start-ups“ entnommen. Herausgeber: Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie