„Das Incubation Program der RWTH hat uns tatsächlich am meisten gebracht, weil einfach die richtigen Themen angesprochen wurden und ein sehr enger Austausch stattfand.“

v.l.n.r.: Dr. Robert Brüll, Richard Haas und Dr. Alexander Lüking, die Gründer der FibreCoat GmbH
© FibreCoat GmbH

Metallgarne sind für die industrielle Anwendung sehr interessant. Sie können extremen Temperaturen standhalten und haben einen geringen elektrischen Widerstand. Zu feinen Geweben versponnen werden sie beispielsweise in Hochdruckschläuchen, Filtergeweben oder in der Medizintechnik eingesetzt. Der Nachteil ist: Metallgarne sind immer noch sehr teuer. Das soll sich nun ändern: Dr. Robert Brüll, Richard Haas und Dr. Alexander Lüking haben am Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen ein Verfahren entwickelt, das die Herstellungskosten von Metallgarnen deutlich reduziert. Damit sind sie nun seit Februar 2020 am Markt. Dabei hat die von ihnen gegründete FibreCoat GmbH einen rasanten Start hingelegt. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt das Team der RWTH Innovation.

Herr Dr. Brüll, Ihr Start-up stellt beschichtete Fasern her. Worum geht es dabei?
Dr. Brüll:
Wir sind aktuell mit einem aluminium-beschichteten Basaltgarn auf dem Markt. Das heißt, wir tragen Aluminium auf Basaltfasern in der Produktion auf und erzeugen dadurch ein Metallgarn. Das hat die gleichen Eigenschaften wie bisher eingesetzte Metallgarne, kann aber durch den Träger Basalt deutlich günstiger hergestellt werden. Dieser Preisvorteil ist genau das, was unsere Kunden überzeugt.

Wo werden diese Metallgarne eingesetzt?
Dr. Brüll:
Bisher noch in Nischen, weil Metallgarne mit 200 bis 25.000 Euro pro Kilo eben sehr teuer sind. Darum werden sie vor allem bei sehr speziellen Anwendungen eingesetzt, wie der Filtration von Schweröl oder der Abschirmung von sensibler Elektronik und als Dichtungen in Schirmkabinen. Aber da wir die Herstellungskosten dieser Metallgarne deutlich reduzieren konnten, sind sie jetzt auch für Massenmärkte wie der Elektromobilitäts- oder auch Baubranche interessant.

Bei der Gründung Ihres Start-ups wurden Sie von der RWTH Innovation unterstützt. Wie sah diese Betreuung aus?
Dr. Brüll:
Die fing schon deutlich vor der Gründung an. Wir hatten 2015 diverse Erfindungsmeldungen auf den Weg gebracht und wurden dabei von der RWTH Innovation sowohl zu Fragen der Einreichung als auch der Bewilligung beraten. Als für uns dann feststand, dass wir ein Unternehmen gründen möchten, haben wir uns nach einer Finanzierung umgesehen und auch darüber mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Innovation gesprochen. So kamen wir auf EXIST-Forschungstransfer. Im Rahmen der Antragstellung hatten wir dann die Möglichkeit, uns intensiv mit dem Innovation-Team auszutauschen. Ein Betriebswirt hat unseren kompletten Antrag und Businessplan noch einmal gegengelesen und vor allem den Zahlenteil gecheckt. Da gab es wirklich sehr viel Unterstützung.

Wie sah es aus mit dem unternehmerischen Know-how? Wie und wo haben Sie sich das angeeignet?
Dr. Brüll:
Wir drei sind Techniker. Ich habe zwar noch einen zweiten Abschluss in Wirtschaftswissenschaften und mein Mitgründer ist Wirtschaftsingenieur. Aber im Prinzip schlägt unser Herz für den Maschinenbau. Das heißt, unsere Annahmen zum Markt, zur Marktdurchdringung, zur Logistik, zu Kunden usw. waren zunächst doch etwas naiv. Da gab es viel Diskussionsbedarf mit unseren Ansprechpartnern der RWTH Innovation. Dabei hat sich dann herausgestellt, dass wir sehr viele Sachen gar nicht berücksichtigt hatten.

Zum Beispiel?
Dr. Brüll:
Zum Beispiel die Kosten für die Unternehmensgründung: Notar, Rechtsberatung usw. Das hatten wir einfach nicht auf dem Schirm. Oder wie wir uns am besten als Team mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufstellen. Wir hatten beispielsweise viel zu wenig Personal für Marketing und Administration eingeplant. Also haben wir den Tipp bekommen, Kennzahlen zu recherchieren, um zu erfahren, was in unserer Branche üblich ist.

Sie haben auch an dem sechsmonatigen Incubation Program der RWTH Innovation teilgenommen.
Dr. Brüll:
Ja, wir haben in den letzten Jahren an mehreren Inkubatoren teilgenommen, aber das Incubation Program der RWTH hat uns tatsächlich am meisten gebracht, weil einfach die richtigen Themen angesprochen wurden und ein sehr enger Austausch stattfand. Uns wurden sowohl ein Coach als auch zwei Start-up-Gründer zur Seite gestellt, mit denen wir uns intensiv austauschen konnten. Außerdem gab es ein vielfältiges Workshopangebot zu Themen wie Gründung und Konsolidierung, Growth Thinking, Scale-up usw., das von wirklich hochkarätigen Expertinnen und Experten bestritten wurde. Das war sehr gut.

Was meinen Sie? Wovon haben Sie am meisten profitiert?
Dr. Brüll:
Ganz klar von den Einzelgesprächen mit den Workshop-Referenten sowie anderen Gründerinnen und Gründern. Das hat uns den größten Mehrwert gebracht. Da ging es um De-tailthemen, die uns beschäftigt und zu denen wir durchweg guten Input bekommen haben.

Gibt es für Sie ein „vor dem Incubator“ und „nach dem Incubator“?
Dr. Brüll:
Wir sind schon mit relativ viel Wissen reingegangen, weil wir ja bereits gegründet hatten und schon am Markt sind, aber wir haben dann doch noch einmal sehr viel Anpassungen vorgenommen. Wir hatten bereits eine Patentstrategie sowie einen Finanzierungs- und Personalplan. Darüber haben wir im Rahmen des Incubator Programs intensiv diskutiert. Unsere Vorgehensweise wurde dann entweder bestätigt oder wir haben wichtige Hinweise erhalten und konnten noch einmal nachbessern. Dadurch sind wir heute deutlich selbstbewusster in dem, was wir tun.

Das hört sich so an, als wenn alles reibungslos verlief.
Dr. Brüll:
Na ja, die eine oder andere Hürde gab es natürlich schon. Bei den ersten Gesprächen mit unserem Investor hatten wir mit Fragen zu tun, die für uns schwer zu beantworten waren. Da ging es um die Bewertung unseres Start-ups oder auch um den genauen Kapitalbedarf und diese ganzen Themen. Aber da haben uns die Gespräche mit RWTH Innnovation sehr weitergeholfen. Das bedeutet, wir konnten zum Beispiel noch einmal genauer klären, welcher Investor und welche Evaluierungsmethode überhaupt zu uns passt. Am Ende haben wir selbst entschieden, aber die RWTH Innovation war im Verlauf des ganzen Prozesses ein herausragender Sparringspartner.

Wie hat sich insgesamt Ihr Unternehmen bisher entwickelt? Wo stehen Sie jetzt gerade?
Dr. Brüll:
Wir entwickeln uns schneller als geplant. Wir haben aktuell sieben fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dazu kommen noch ungefähr 25 Studenten, die bei uns arbeiten. Außerdem sind wir im August in neue Büroräume umgezogen. Was uns besonders freut: Wir haben jetzt knapp 30 Pilotkunden. Dabei handelt es sich um Zulieferer und Weiterverarbeiter aus der Automobilbranche sowie um Betriebe aus der Bauindustrie und der Elektronik.

Aktuell haben wir bei einem Faserproduzenten in Ostdeutschland Produktionsanlagen angemietet. Das heißt, wir bauen unser Beschichtungsmodul in dessen bestehende Faserspinnanlagen ein und können dort unser Material produzieren. Perspektivisch wollen wir in zwei Jahren unsere Produktion aber auch außerhalb Deutschlands aufbauen.

Was die Finanzierung betrifft, haben wir Mitte Oktober unsere erste Finanzierungsrunde abgeschlossen, sodass wir jetzt mit der Skalierung beginnen können. Das heißt, wir stellen weiteres Personal in der Produktion und im Vertrieb ein. Aktuell haben wir Kapazitäten von zwei Tonnen pro Monat. Bis zum Jahresende wollen wir auf zehn Tonnen und nächstes Jahr auf 60 Tonnen Produktion skalieren.

Bei dieser erfolgreichen Entwicklung haben Sie sicherlich den einen oder anderen Tipp für andere Gründerinnen und Gründer.
Dr. Brüll:
Ich kann vor allem empfehlen, so früh wie möglich mit der Transferabteilung bzw. dem Gründungsservice an der Hochschule zu sprechen, um die vielen Fragen frühzeitig zu klären. Außerdem sollte man mutig sein und in den Markt gehen. Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, dass wir unser Produkt – auch wenn es noch nicht ausgereift war – sehr früh potenziellen Kunden vorgestellt haben. Ein guter Weg, um in Kontakt mit unabhängigen Fachleuten zu kommen, ist auch die Teilnahme an Businessplan- oder Gründungswettbewerben. Je mehr Input man erhält, desto besser für das Produkt.

Stand: November 2021

Die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW fördert das Projekt „Building Europe’s leading integrated Tech Incubator“ an der RWTH Aachen.