Gründungsförderung in NRW – Wie Hochschulen zwischen Rhein und Ruhr den Gründungsgeist stärken

Wie fördern deutsche Hochschulen Unternehmensgründungen – und wie erfolgreich sind sie dabei? Diese Fragen untersucht der Stifterverband seit über zehn Jahren im „Gründungsradar“. Im aktuellen Ranking sind dabei immer mehr nordrhein-westfälische Hochschulen in die Spitzengruppe aufgerückt. Im Interview erklären die Co-Autor:innen Lea Traeger und Jan-Frederik Thurmann, was die Standorte zwischen Rhein und Ruhr besonders stark macht.

Lea Traeger
© Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.
Jan-Frederik Thurmann
© Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

Frau Traeger, Herr Thurmann, bundesweit ist die Zahl der Ausgründungen aus Hochschulen kontinuierlich gestiegen – allein 2023 sind rund 3.000 Start-ups aus Hochschulen hervorgegangen. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?

Traeger: Die Entwicklung ist natürlich positiv zu sehen. Allerdings muss man auch sagen, dass es im internationalen Vergleich noch deutliches Verbesserungspotenzial gibt. Es gibt Länder, die deutlich mehr Gründungen aus Hochschulen hervorbringen.

Thurmann: Die wachsende Zahl an Gründungen sowie das steigende Volumen öffentlicher Fördermittel und privater Investments sind zweifellos positive Signale. Besonders die staatliche Gründungsförderung an deutschen Hochschulen erweist sich als wichtiger Treiber. Zugleich ist zu beachten, dass die Daten lediglich die 191 Hochschulen erfassen, die am Gründungsradar teilnehmen – es gibt darüber hinaus weitere Hochschulen, die Ausgründungen aktiv unterstützen. Insgesamt zeichnet sich somit ein erfreuliches Bild ab.

Deutschland ist also auf einem guten Weg, aber das Ziel ist noch nicht erreicht. Wenn wir jetzt den Blick auf Nordrhein-Westfalen werfen: Mit etwa 77 öffentlichen und privaten Hochschulen ist die akademische Dichte im Land besonders hoch. Was lässt sich über den akademischen Gründungsgeist zwischen Rhein und Ruhr sagen?

Traeger: Hier hat sich insbesondere durch die Förderprogramme des Wirtschaftsministeriums Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren viel bewegt. Besonders hervorzuheben ist dabei das Programm "Exzellenz Start-up Center.NRW", mit dem seit 2020 sechs Universitäten beim Ausbau ihrer Gründungsnetzwerke sowie kleinere Sondervorhaben an fünf Universitäten unterstützt werden. Die Wirkung dieser Förderung spiegelt sich deutlich im aktuellen Gründungsradar wider: Die Hochschulen konnten ihre Platzierungen in dem Ranking kontinuierlich verbessern. Das ist nicht zuletzt dem Engagement der Akteurinnen und Akteure vor Ort zu verdanken. In zahlreichen Gesprächen wurde deutlich, wie hoch die Wertschätzung für das Thema Gründung inzwischen ist – auch befördert durch eine Politik, die das Thema ernst nimmt und entsprechende Programme auflegt. Zudem kooperieren viele Hochschulen zunehmend miteinander – ein Trend, der etwa in der Bewerbungsphase zum bundesweiten Wettbewerb „Startup Factories“ besonders sichtbar wurde.

Besonders erfolgreich sind die Universität zu Köln, die Ruhr-Universität Bochum und auch die Bergische Universität Wuppertal – wobei letztere nicht über ein Exzellenz Start-up Center verfügt, sondern eine Förderung aus dem Programm für das Projekt „Women Entrepreneurs in Science“ erhält. Die drei haben es unter die Top Ten der großen Hochschulen im Gründungsradar 2025 geschafft. Wie ist ihnen das gelungen? Was zeichnet sie aus?

Thurmann: Die Uni Köln überzeugt mit dem "Gateway Exzellenz Start-up Center (ESC)", das ein breit gefächertes Angebot und eine hervorragende organisatorische Struktur bietet. Hervorzuheben ist auch das Konzept der Transferscouts, das gezielt Gründungssensibilisierung und fakultätsbezogene Transferaufgaben miteinander verknüpft. Die Scouts sind sowohl an den Fakultäten als auch im Gateway ESC verankert und agieren als Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Expertise und Gründungsförderung. Als Volluniversität kann sie Gründungsvorhaben in zahlreichen Fachrichtungen gezielt fördern. An der Ruhr-Uni Bochum unterstützt das "WORLDFACTORY Start-up Center (WSC)" Gründerinnen und Gründer unter anderem durch Inkubatoren, um Gründungsteams in der Frühphase ihrer Entwicklung zu unterstützen, indem sie ihnen Zugang zu Ressourcen, Mentoring und Netzwerken bieten. Das WSC hat zudem das Thema Nachhaltigkeit als strategisches Gründungsziel fest verankert und bereits zahlreiche Gründungen hervorgebracht, deren Geschäftsideen sich an den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen orientieren. Für diese Sustainable Development Goals (SDGs) werden angehende Gründerinnen und Gründer bereits in den ersten Beratungsgesprächen frühzeitig sensibilisiert. Beide Hochschulen haben die Gründungsförderung strategisch verankert – und profitieren dabei von hochengagierten Mitarbeitenden, die das Thema mit großem Einsatz vorantreiben

Traeger: Beide Universitäten haben mit ihren Exzellenz Start-up Centern große Sprünge innerhalb der einzelnen Themenfelder des Gründungsradars gemacht. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Gründungsverankerung bzw. Verstetigung der Gründungsunterstützung sowie der Netzwerkarbeit. Damit verbunden sind finanzielle Ressourcen, die Verstetigung von Personal als auch die direkte Anbindung der Gründungsunterstützung an die Hochschulleitung, so dass entsprechende gründungsfreundliche und dauerhafte Strukturen aufgebaut werden konnten.

Was die Universität Wuppertal betrifft: Dort wurde mit "Women Entrepreneurs in Science" ein hochschulübergreifendes Netzwerk geschaffen, um Studentinnen, Wissenschaftlerinnen und Mitarbeiterinnen an Hochschulen in ganz NRW für Unternehmensgründungen zu sensibilisieren und bei den ersten Schritten zu unterstützen. Das ist bundesweit einmalig.

Sie sprachen von gründungsfreundlichen Strukturen. Was genau steckt dahinter? Wie kann man sich das als Außenstehender vorstellen?

Traeger: Es handelt sich um ein Zusammenspiel vieler Maßnahmen. Den Anfang macht eine Hochschulleitung, die Ausgründungen als eigene strategische Aufgabe begreift und aktiv unterstützt. Entscheidend sind aber vor allem engagierte Mitarbeitende, die das Thema mit großer Leidenschaft vorantreiben: Sie machen Gründungsangebote sichtbar, organisieren Coachings und Veranstaltungen, knüpfen Kontakte zu Branchenfachleuten, Investorinnen und Investoren sowie etablierten Unternehmen, und identifizieren in den Fakultäten vielversprechende Gründungsideen – kurz: Sie sind die zentralen Treiber einer lebendigen Gründungskultur.

Thurmann: An den sechs geförderten Universitäten – und zunehmend auch darüber hinaus – ist die Gründungsunterstützung inzwischen als strategisches Ziel im Wissenstransfer verankert. Das Thema ist auf Leitungsebene angekommen, häufig mit einem eigenen Vizepräsidenten als Verantwortlichem. Die Rahmenbedingungen stimmen also. Dennoch wäre es wünschenswert, wenn die Hochschulen insgesamt stärker eigene Mittel einbringen würden. Der Startup-Verband etwa fordert, ein Prozent des Hochschulbudgets für Gründungsförderung zu reservieren – aktuell liegt der Durchschnitt bei rund 0,25 Prozent. Mehr Eigeninvestitionen würden nicht nur das Engagement unterstreichen, sondern auch für mehr Planungssicherheit sorgen.

Gibt es Instrumente oder Angebote, die den Gründungsgeist an den Hochschulen besonders fördern?

Traeger: Ja, das bestätigen auch unsere Auswertungen. Besonders auffällig ist der deutliche Anstieg beim Engagement des Lehrpersonals in der Gründungsförderung. Wenn Professorinnen und Professoren das Thema aktiv unterstützen, strahlt das in die gesamte Hochschule aus – das stärkt nicht nur den Gründungsgeist, sondern sorgt auch für mehr Sichtbarkeit und Rückhalt im akademischen Alltag.

Auch andere Hochschulen wie die Hochschule Bielefeld und die TH Ostwestfalen-Lippe schneiden gut ab.

Traeger: Ja, die Hochschule Bielefeld hat ihr Unterstützungsangebot im Bereich Qualifizierung von Gründerinnen und Gründern deutlich ausgebaut. Die TH OWL konnte sich im Bereich Gründungsaktivitäten deutlich verbessern. Entscheidend dafür ist bei beiden Hochschulen eine stärkere institutionelle Verankerung, aktive Netzwerke sowie ein systematisches Monitoring und eine Evaluation. Zudem profitieren beide Hochschulen durch die Partnerschaft zur Universität Paderborn, die ebenfalls durch die Initiative „Exzellenz Start-up Center.NRW“ gefördert wird. Über das Programm konnten zum Beispiel neue Stellen geschaffen werden.

Besonders stark verbessert haben sich die Universität Duisburg-Essen und die Universität Bielefeld. Worin bestand diese Verbesserung?

Thurmann: Mit dem Programm „Exzellenz Start-up Center.NRW" fördert das Land das Projekt "Guideplus – Gründungsförderung" an der Uni Duisburg-Essen, die damit große Fortschritte erzielt hat. Dazu gehören neue Personalstellen – darunter auch Professuren –, die gezielt zur Stärkung der Gründungsförderung beitragen. Zusätzlich profitiert die Universität von starken Netzwerken wie der Universitätsallianz Ruhr, in der ein enger Austausch in der Gründungsberatung und bei der Nutzung von Inkubatoren stattfindet. Diese Synergien wirken sich spürbar positiv auf das Gründungsgeschehen aus. Dieser Ökosystemgedanke spielt auch in Bielefeld eine große Rolle, wo die Universität eng mit der dortigen Hochschule zusammenarbeitet. Gemeinsam betreiben sie zum Beispiel den Research & Innovation Campus Bielefeld.

Im Gründungsradar heißt es, dass acht Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen bei den großen Hochschulen unter den Top 20 sind. Sechs davon werden mit „Exzellenz Start-up Center.NRW“ (ESC) gefördert. Welche Rolle spielt das Programm bei dem Ranking?

Thurmann: Die starke Platzierung der sechs ESC-Hochschulen zeigt: Das Programm entfaltet seine Wirkung – nicht nur an den einzelnen Hochschulstandorten, sondern auch regional. Die Förderung hat NRW insgesamt vorangebracht, indem große und kleine Hochschulen enger zusammenarbeiten und voneinander profitieren. Ein Beispiel ist die Kooperation der Uni Köln, der TH Köln, der Deutschen Sporthochschule Köln, der Rheinischen Hochschule Köln und der Cologne Business School unter dem Dach des „Gateway Exzellenz Start-up Center“. Der Aufbau der Marke Gateway sowie die damit verbundene Zusammenarbeit hat eine hohe Strahlkraft auf das ganze Kölner Ökosystem.

Traeger: Ich denke, dass der Erfolg des „Exzellenz Start-up Center.NRW“-Programms auch darin liegt, dass die Verstetigung der Gründungsförderung in den Förderrichtlinien verankert ist.Die Tatsache, dass das Ministerium und der Projektträger Jülich hier immer wieder auf dieses Ziel hingewiesen und mit sanftem Druck dafür gesorgt haben, dass die Verstetigung der Gründungsunterstützung tatsächlich umgesetzt wird.

Kommen wir noch auf die Uni Paderborn zu sprechen, deren „TECUP – Center für Transfer durch Existenzgründung“ bzw. „garage33“ im aktuellen Gründungsradar ausführlich vorgestellt wird. Inwiefern ist das TECUP Vorbild für andere Hochschulen in Deutschland?

Traeger: In der aktuellen Ausgabe des Gründungsradars haben wir uns auf das Thema Verstetigung fokussiert. Ein herausragendes Beispiel dafür ist die Universität Paderborn, die einen Makerspace mit einer Nutzungszusage von 15 Jahren geschaffen hat. Die Universität Paderborn investiert sowohl in das Gebäude als auch in die Infrastruktur, Equipment und Sachmittel für angehende Gründerinnen und Gründer. Zudem wurden Personalstellen dauerhaft besetzt, um sicherzustellen, dass wertvolles Wissen nicht verloren geht.

Thurmann: Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch der Netzwerk- und Ökosystemgedanke. Der Makerspace an der Universität Paderborn steht nicht nur Gründerinnen und Gründern der eigenen Hochschule, sondern auch Gründungsinteressierten der Hochschule Bielefeld, der TH OWL und der Universität Bielefeld offen. Diese gemeinsame Nutzung ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Hochschulen durch Kooperationen Ressourcen effizienter nutzen und Synergien schaffen können.

Weitere Informationen:
Gründungsradar 2025

Stand: Mai 2025