„Auffallend war wirklich diese sehr kunden- und lösungsorientierte Herangehensweise und die Geschwindigkeit, mit der die Teams gearbeitet haben.“

Andreas Hartmann
© Hartmann International

Der Mittelstand ist bekannt für seine Hidden Champions. Deren Erfahrungen, Know-how und Infrastruktur kann für junge Gründungsteams ein ideales Sprungbrett in die Selbständigkeit sein. Umgekehrt können mittelständische Unternehmen aber auch von dem frischen Wind profitieren, den die Teams zum Beispiel bei der Entwicklung neuer Produkte einbringen. Diese Erfahrung hat zum Beispiel Andreas Hartmann gemacht. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Hartmann International GmbH & Co. KG. Das Unternehmen ist Partner von CargoLine, einem europaweiten Verbund mittelständischer Logistik-Unternehmen. Andreas Hartmann hat sich an einem der Disrupt Workshops des TecUP an der Universität Paderborn beteiligt. Wir haben mit ihm über seine Erfahrungen gesprochen.

Herr Hartmann, Sie haben gemeinsam mit weiteren Partnerunternehmen von Cargo-Line an einem der Disrupt Workshops des TecUP in der garage33 an der Universität Paderborn teilgenommen. Wie kam es dazu?
Hartmann:
Wir hatten uns bei CargoLine bereits 2016 mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt und waren uns einig, dass wir dahingehend etwas tun müssen. 2017 habe ich dann einen Vortrag von Professor Rüdiger Kabst in der garage33 der Universität Paderborn gehört. Das Thema drehte sich um den technologischen Wandel und Wettbewerbsveränderungen in der Logistikbranche. In diesem Zusammenhang schlug Professor Kabst vor, gemeinsam mit Studierenden und Mitarbeitenden aus unseren Kerngeschäften etwas Neues auf die Beine zu stellen, also innovative digitale Geschäftsideen zu entwickeln und diese mit Hilfe neu gegründeter Start-ups auf den Markt zu bringen. Kurz und gut: Das hörte sich genau nach dem an, wonach ich gesucht hatte.

An der Universität Paderborn sind daraus dann die Disrupt Workshops entstanden, an denen Sie teilgenommen haben. Was war Ihr Part dabei?
Hartmann:
Ich habe zunächst einmal unser Thema vorgestellt und erklärt, was ein Speditions- bzw. Logistikunternehmen überhaupt ist, wie das analoge Geschäftsmodell funktioniert und auf was es dabei ankommt. Gemeinsam mit anderen Unternehmensvertreterinnen und -vertretern sowie einem der Geschäftsführer von CargoLine standen wir den jungen Leuten dann für Fragen zur Verfügung. Anschließend ging es an die Arbeit. Das heißt, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich zu Teams zusammengefunden und Ideen zu unserem vorgegebenen Thema erarbeitet. Gut gefallen hat mir dabei, dass die jungen Leute aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen kamen. Mit dabei waren Wirtschaftsingenieurinnen und -ingenieure, Informatikerinnen und Informatiker oder auch Betriebswirtinnen und -wirte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus meinem Unternehmen.

Sie waren auch Mitglied der Jury und haben das Gewinnerteam ausgewählt.
Hartmann:
Ja, bei dem Workshop, an dem wir 2018 teilgenommen hatten, ging es um die Entwicklung einer digitalen Plattform, so dass wir uns für ein Konzept entschieden haben, das die digitale Umsetzung des Speditionsgeschäfts am besten abbildete. Die Idee dazu hatten die damaligen Studenten Richard Kleeschulte, Artur Nachtigal und David Port sowie der Speditionskaufmann Lukas Petrasch aus meinem Unternehmen.

Und wie ging es nach dem Workshop weiter?
Hartmann:
Im Anschluss haben sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Unternehmen des CargoLine-Verbundes mit dem Gewinnerteam zusammengesetzt und die Idee weiterentwickelt. Dabei haben wir den jüngeren Leuten jede Menge Rüstzeug an die Hand gegeben und gemeinsam überlegt, wie die Idee am besten umgesetzt werden kann, was dafür benötigt wird usw. Das Gründungsteam hat uns natürlich viele Fragen gestellt: Wie macht ihr das in eurem Unternehmen? Wie erstellt ihr Betriebswirtschaftliche Auswertungen? Wie sieht euer Controlling aus? Was habt ihr für Kennzahlen? Die waren dann zum Beispiel bei unserem Controller oder auch bei unserer Personalverantwortlichen und haben sich über das ganze Thema Arbeitsrecht informiert. Das war schon ein ordentlicher Know-how-Transfer. Dieser ganze Prozess erfolgte in iterativen Schritten, so dass wir uns im ersten Jahr alle zwei bis drei Wochen getroffen haben. Dabei haben wir durchaus gemerkt, dass die jüngeren Leute schon etwas anders ticken als wir.

Inwiefern?
Hartmann:
Bei den Gesprächen hatte sich immer mehr herauskristallisiert, dass wir – also die Vertreter aus den Unternehmen – vor allem in analogen Prozessen und vom Unternehmen her dachten. Die Jungs haben das Ganze dagegen viel mehr durch die Kundenbrille betrachtet. Die hatten schon während des Workshops Kunden von uns angerufen und gefragt, was sie von ihrer Idee halten. Eine solche Vorgehensweise war für uns als Unternehmen bislang nicht denkbar gewesen, aber es war spannend, das mitzuerleben.

Die „Jungs“ haben dann 2019 die digitale Speditionsplattform Cargoboard gegründet, mit der sie sehr erfolgreich sind.
Hartmann:
Ja, in der Tat. Cargoboard ist extrem erfolgreich. Ich hätte nicht gedacht, dass das so schnell gehen würde. Aber man muss natürlich auch sehen, dass das Team mit dem Unternehmensverbund CargoLine für den operativen Teil auf ein tolles Netzwerk zurückgreifen konnte und immer noch kann. Das ist ein sehr großer Vorteil und ein Unterschied zu anderen Start-ups, die noch gar nicht wissen, wie sie ihren Vertriebsweg ausgestalten sollen. Cargoboard profitiert sehr von der Zusammenarbeit mit CargoLine. Der Weg wäre für sie wesentlich schwieriger gewesen, wenn sie ihre Kontakte und ihr Netzwerk erst hätten aufbauen müssen.

Warum hat Ihr Unternehmen eigentlich überhaupt die Gründung eines Start-ups begleitet? Hätten Sie die Technologie nicht auch inhouse entwickeln und integrieren können?
Hartmann:
Ich glaube, dass wir das mit unserer Angestelltenmentalität „eight to five“ nicht hinbekommen hätten. Die jungen Leute waren einfach hochmotiviert, ein Start-up zu gründen, und hatten durch die Anbindung an einen großen Unternehmensverbund beste Startbedingungen. Hinzu kamen natürlich die vielen, vielen Kontakte an der Universität Paderborn und der garage33.

 Auffallend war für uns diese sehr kunden- und lösungsorientierte Herangehensweise und die Geschwindigkeit, mit der die Teams gearbeitet haben. Die gehen einfach raus mit der Idee und sagen: „Mal sehen, ob wir auf die Nase fallen oder ob es gut wird.“ Während wir im Unternehmen erst drei-, viermal überlegen und in mehreren Arbeitskreisen besprechen müssen, ob wir mit einer neuen Idee nach draußen gehen.

Das heißt, Sie werden auch zukünftig an den Disrupt Workshops der Uni Paderborn teilnehmen?
Hartmann:
Ja, auf jeden Fall. Cargoboard ist ja nicht das einzige Start-up, das wir gemeinsam mit der garage33 auf den Weg gebracht haben. Da gibt es mittlerweile noch drei andere, die alle im Bereich Logistik unterwegs sind. Und weitere werden folgen.

Tipp:

Lesen Sie mehr dazu in der Broschüre „Hochschulen in Nordrhein-Westfalen: Keimzellen für innovative Start-ups“ (PDF, 7 MB)