„Alle Förderprogramme haben einen innovativen Fokus.“

Prof. Dr. Sebastian Vogt
© TecUP, Max Zdunek

Ohne das nötige Kleingeld lässt sich der Traum vom eigenen Start-up kaum verwirklichen. Aber zum Glück gibt es für Gründerinnen und Gründer aus Hochschulen passgenaue Förderprogramme. Welche das sind und worauf dabei zu achten ist, erklärt Professor Sebastian Vogt, Geschäftsführer des Technologietransfer- & Existenzgründungs-Centers an der Universität Paderborn.

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Herr Professor Vogt, Sie sind Geschäftsführer des Technologietransfer- & Existenzgründungs-Centers, kurz TecUP an der Universität Paderborn. Was bietet das TecUP an? Was passiert da?
Prof. Vogt: Das TecUP an der Uni Paderborn ist eines der sechs Exzellenz Start-up Center.NRW. Unsere Aufgabe ist es, Forschungsexzellenz in Gründungsexzellenz zu überführen. Das heißt, wir sensibilisieren und qualifizieren unsere Studierenden im Bereich Entrepreneurship und versuchen, ihr Interesse an einer Karriere als Unternehmerin oder Unternehmer zu wecken. Das tun wir zum einen durch klassische Lehrveranstaltungen in der Universität und zum anderen durch außercurriculare Lehrveranstaltungen oder Workshops, die wir über das TecUP durchführen.

Dabei spielt auch die Frage nach einer geeigneten Finanzierung eine Rolle. Erst einmal vorab, wozu brauchen Gründerinnen und Gründer eigentlich eine Finanzierung?
Prof. Dr. Vogt: Pauschal kann man die Frage gar nicht beantworten, weil wir unterschiedliche Zielgruppen bedienen. Zum einen sind es Studierende, die eine eigene Gründungsidee umsetzen möchten. Zum anderen sind es wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die beispielsweise ein Promotionsvorhaben durchgeführt haben und nun ihre Forschungsergebnisse mit einem eigenen Unternehmen in ein Produkt umwandeln möchten. Diese Zielgruppen haben ganz unterschiedliche Finanzierungsbedarfe. Für beide Gruppen gilt sicherlich, dass sie ihren Lebensunterhalt in der Gründungs- und unternehmerischen Anlaufphase sichern möchten. Bei forschungsbasierten Gründungsvorhaben werden außerdem meist ein anspruchsvolles Equipment sowie eine externe Fachberatung benötigt.

Wie kann eine solche Finanzierung aussehen? Welche Förderprogramme gibt es dafür?
Prof. Dr. Vogt:In Nordrhein-Westfalen gibt es zum einen das Gründerstipendium NRW und zum anderen Start-up Transfer NRW. Daneben gibt es auch noch Bundesprogramme, wie zum Beispiel die sogenannte EXIST-Familie. Dazu gehören das EXIST-Gründerstipendium und EXIST-Forschungstransfer.

Wenn wir uns erst einmal die Gründerinnen und Gründer ansehen, die sich zum Beispiel in ihrer Bachelor- oder Masterarbeit mit einem spannenden Thema beschäftigt haben und nun eine Geschäftsidee daraus entwickeln möchten. Welches Förderprogramm kommt für die in Frage?
Prof. Dr. Vogt: Zunächst einmal muss man wissen, dass alle Programme einen innovativen Fokus haben. Auch das Gründerstipendium NRW, das mit Sicherheit das niederschwelligste all dieser Programme ist, fördert ausschließlich innovative Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle.

Wie weise ich denn nach, dass ich eine innovative Geschäftsidee habe?
Prof. Vogt:Idealerweise wissen Sie das, weil Sie schon einmal mit Menschen darüber gesprochen haben und es auch am Markt evaluiert haben. Sie haben selbst Marktrecherchen durchgeführt und festgestellt, dass sich Ihre Idee deutlich von eventuellen Konkurrenzprodukten am Markt abgrenzt, oder Sie finden gar keine Konkurrenzprodukte. Empfehlenswert ist darüber hinaus in jedem Fall, sich mit dem Gründungszentrum an der Uni kurzzuschließen und sich gemeinsam mit den Coaches die Idee genau anzusehen. Dann lässt sich auch sagen, welches Förderprogramm überhaupt in Frage kommt.

Angenommen, meine Gründungsidee erfüllt die Voraussetzungen. Was muss ich tun, um ein Gründerstipendium NRW zu beantragen?
Prof. Vogt: Das Gründerstipendium NRW ist eigentlich ein sehr „charmantes“ Programm, weil es im Vergleich zu den anderen Programmen sehr unbürokratisch ist. Man arbeitet seine Idee aus und pitcht dann vor einer Jury. Diese Jurys sind in ganz NRW verteilt. Viele davon befinden sich in den Gründungszentren der Hochschulen. Ist die Jury von der Idee überzeugt, empfiehlt sie die Auszahlung des Stipendiums durch den Projektträger Jülich bzw. das Gründungszentrum an die Gründerinnen und Gründer. Das sind jeweils monatlich 1.000 Euro pro Person. Gefördert werden Teams von bis zu drei Personen, die damit für die Dauer eines Jahres ihren Lebensunterhalt sichern können. Voraussetzung ist, dass man nach einem halben Jahr auch ein Unternehmen gegründet hat.

Wenn man vor einer Jury pitcht, hat man womöglich etwas Lampenfieber. Wie kann man sich darauf vorbereiten?
Prof. Vogt: Die meisten Gründungszentren an den Hochschulen bieten ein Coaching an, das die potenziellen Stipendiaten und Stipendiatinnen sehr gut auf diesen Jury-Pitch vorbereitet. Sie helfen dabei, eine Präsentation zu erstellen und legen im Vorfeld auch schon mal den Finger in die Wunde, um die Idee eben möglichst rund zu machen.

Was passiert, wenn man während der Vorbereitungen feststellt, dass die Idee doch nicht funktioniert. Muss man das Geld dann wieder zurückzahlen?
Prof. Vogt:Nein, zurückzahlen muss man es nicht. Man kann das Stipendium auch unterbrechen, wenn man merkt, dass die Idee noch nicht so ausgereift ist. Da die Gründerinnen und Gründer während der Vorbereitungen aber sehr engmaschig von den Coaches des Gründungszentrums begleitet werden, kommt es eher selten vor, dass man erst auf halber Strecke feststellt, dass die Idee doch nicht so vielversprechend ist.

Kommen beim Gründerstipendium NRW neben der finanziellen Förderung noch weitere Leistungen hinzu?
Prof. Vogt: Wenn der Antrag über das Gründungsnetzwerk einer Hochschule gestellt wurde, wird den Gründerinnen und Gründern für die gesamte Vorbereitungsphase ein Coach zur Seite gestellt. Idealerweise stellt die Hochschule auch einen Arbeitsplatz, Meetingräume usw. zur Verfügung.

Wie kommt das Programm bei Ihren Studierenden bzw. Gründerinnen und Gründern an? Wird es stark genutzt?
Prof. Dr. Vogt: Das Programm kommt sehr gut an. Vom Finanzvolumen her ist es zwar sehr überschaubar, aber gerade für Studierende, die am Ende ihres Studiums stehen und ihr Gründungsvorhaben vorantreiben möchten, gleichzeitig aber auch ihren Lebensunterhalt sichern müssen, ist das ein tolles Programm, das schnell und einfach beantragt werden kann. Die anderen Programme brauchen dagegen eine gewisse Vorlaufzeit, so dass quasi eine Finanzierungslücke entstehen kann.

Zu den „anderen Programmen“ gehört das EXIST-Gründerstipendium. Das Programm des Bundeswirtschaftsministeriums wird ebenfalls sehr stark genutzt.
Prof. Dr. Vogt: Ja, das stimmt. Aber anders als beim Gründerstipendium NRW muss man für die Beantragung des EXIST-Gründerstipendiums beispielsweise ein ausgereifteres Ideenpapier erstellen. Da kann man schon mal zwei, drei Monate dran sitzen. Danach werden die Unterlagen an eine externe Jury zur Begutachtung weitergeleitet. Insgesamt dauert der Prozess einfach länger.

Warum sollte man trotzdem ein EXIST-Gründerstipendium beantragen?
Prof. Dr. Vogt: DieGründe, die dafür sprechen sind natürlich die höhere finanzielle Ausstattung. Das EXIST-Gründerstipendium läuft, wie auch das Gründerstipendium NRW, über zwölf Monate, aber die Höhe des monatlichen Zuschusses variiert zwischen 1.000 Euro für Studierende, 2.000 Euro für technische Mitarbeiter oder 2.500 Euro für Uniabsolventen bzw. 3.000 Euro für Promovierte. Hinzu kommt ein Budget für förderfähige Sachausgaben in Höhe von 10.000 Euro pro Gründungsmitglied.

Das heißt, es lohnt sich durchaus, etwas mehr Zeit in das etwas aufwändigere Beantragungsverfahren zu investieren?
Prof. Dr. Vogt: Das kommt immer darauf an. Je nach Geschäftsidee kann es entscheidend sein, möglichst schnell in einen Markt einzutreten, um die Nase gegenüber den Wettbewerbern vorne zu haben. In dem Fall würde ich eher das Gründerstipendium NRW empfehlen, da hier eine rasche Unternehmensgründung ermöglicht und vom Fördermittelgeber gewollt ist. Im Umkehrschluss gilt, dass immer dann, wenn die Ausarbeitung des Geschäftsmodells und somit der Markteintritt nicht innerhalb der ersten sechs Monate erfolgen kann, das etwas aufwändiger zu beantragende EXIST-Gründerstipendium in den Fokus rückt. Im EXIST-Programm verbleiben den Gründerinnen und Gründern ganze zwölf Monate, um ein marktfähiges Produkt oder eine marktfähige Dienstleistung zu entwickeln.

Kommt es bei der Beantragung der genannten Förderprogramme eigentlich „nur“ auf die Geschäftsidee an oder spielt auch die Zusammensetzung des Teams eine Rolle?
Prof. Dr. Vogt: Die spielt durchaus eine Rolle, weil die Fördergeber natürlich darauf achten, dass alle notwendigen Fähigkeiten in einem Team verankert sind. Gerade bei Gründungsteams, die aus der Hochschule heraus gründen, kommt es öfter vor, dass sich zwei, drei Freundinnen oder Freunde zusammentun. Die wohnen womöglich zusammen und haben dasselbe Studium absolviert. Das bedeutet, der Mindset und auch die Kompetenzen sind sehr ähnlich. Da kann es sein, dass es komplett an betriebswirtschaftlichem Know-how oder Fachkenntnissen fehlt oder auch an unterschiedlichen individuellen Fähigkeiten. Es tut einem Team zum Beispiel immer gut, wenn eine Person dabei ist, die etwas extrovertierter ist und auf Kunden zugehen kann.

Es gibt noch zwei weitere herausragende Förderprogramme: Start-up Transfer und EXIST-Forschungstransfer. Inwiefern unterscheiden die sich von den bereits genannten Programmen?
Prof. Dr. Vogt: Diese Förderprogramme sind deutlich stärker an forschungsfokussierten Gründungsvorhaben ausgerichtet. Zur Zielgruppe gehören oftmals Promovierende, die ihre Promotions- und Forschungsergebnisse in marktfähige Produkte und Dienstleistungen überführen möchten. Dementsprechend sind die Programme vom finanziellen Background her wesentlich großzügiger ausgestaltet, nicht zuletzt, weil im Rahmen der Produktentwicklung auch noch Forschungsleistungen erbracht werden müssen. Bei EXIST-Forschungstransfer wird ein wissenschaftlicher Exzellenzansatz erwartet. Die Gründungsteams erhalten durchschnittlich etwa 700.000 Euro. Bei Start-up Transfer NRW sind es zukünftig bis zu 270.000 Euro. In beiden Programmen sind die Gründerinnen und Gründer bei der Hochschule als wissenschaftliche Mitarbeitende angestellt, dabei werden sie für ihr Gründungsvorhaben freigestellt. Auch die Laufzeiten sind mit 18 Monaten – in Einzelfällen sogar noch mehr Monaten – länger als bei den zuvor genannten Programmen. Das hat alles Vor- und Nachteile, die man intensiv mit der Gründungsberatung an seiner Hochschule diskutieren sollte.

Unabhängig vom Förderprogramm: Wie geht es nach Ablauf der Förderung weiter?
Prof. Dr. Vogt: Bei sehr anspruchsvollen Vorhaben mit langen Forschungs- und Entwicklungsphasen kann es durchaus sein, dass im Nachgang ein weiteres Förderprogramm in Anspruch genommen werden muss. Wobei an der Stelle das Thema Wagniskapital eine wichtige Rolle für die Gründungsteams spielt. Das bedeutet, die Teams müssen Kapitalgeberinnen und Kapitalgeber von sich überzeugen, um ihr weiteres Wachstum zu finanzieren.

Ab welchem Zeitpunkt muss ich mir Gedanken über die Anschlussfinanzierung machen?
Prof. Dr. Vogt: Im Idealfall machen Sie sich schon etwa drei, vier Monate vor dem Auslaufen der Förderung Gedanken darüber, wie es weitergehen kann. Wenn Sie einen Businessplan aufstellen, machen Sie ja auch eine mehrjährige Finanzplanung, die Sie fortlaufend überprüfen. Und anhand dieser Finanzplanung, sehen Sie, wo die Finanzierungslücken sind, also wo beispielsweise eine Förderung ausläuft oder wo Sie ein großes Investment haben, weil Sie Rohstoffe einkaufen müssen. Und dann geht es eben darum, diese Finanzlücken zu schließen.

Im Idealfall sprechen Sie frühzeitig sowohl mit Business Angel als auch mit Venture-Capital-Gebern, um sich über die verschiedenen Möglichkeiten informieren. Business Angel sind in der Regel ehemalige Unternehmerinnen und Unternehmer mit einem großen privaten Vermögen und einer hohen Fachexpertise. Die meisten engagieren sich für Start-ups, weil sie einfach Lust haben, mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten. Bei Venture-Capital-Gebern handelt es sich meist um Fonds, die in aller Regel mit einem höheren Volumen in Start-ups investieren als es klassische Business Angel tun. Während letztere ein Finanzvolumen von etwa 50.000 bis 200.000 Euro zur Verfügung stellen, starten Venture-Capitalist-Geber, kurz: VC-Geber, meist erst mit einem Investment von 600.000 Euro aufwärts.

Zum Technologietransfer- und Existenzgründungs-Center der Universität Paderborn (TecUP) gehört u.a. das Exzellenz Start-up Center Ostwestfalen-Lippe. Das ESC.OWL wird durch die Initiative „Exzellenz Start-up Center.NRW“ gefördert.