„Wir stehen heute noch im Kontakt mit dem Experten-Netzwerk des CET der TU Dortmund.“
Es mache ihnen Spaß, sagen Dr. Timo Bathe und Alexander Ott, wenn sie nach ihrer Rolle als Unternehmer gefragt werden. Kein Wunder, ihr Verfahren, das sie am Institut für Spanende Fertigung an der Technischen Universität Dortmund entwickelt haben, kommt bei ihren Kunden in der Werkzeugbranche gut an. Der Maschinenbauingenieur und Wirtschaftsingenieur haben im Februar 2020 die [Tool]Prep UG (haftungsbeschränkt) gegründet. Für den guten Start hat nicht zuletzt die Unterstützung durch das CET - Centrum für Entrepreneurship & Transfer an der Technischen Universität Dortmund gesorgt.
Das Interview können Sie auch hören:
Herr Ott, können Sie einem Laien erklären, was ein Schneidkantenpräparationsverfahren ist?
Ott: Einfach gesagt, geht es um die Verrundung von Schneidkanten. Dabei handelt es sich um einen üblichen Prozess bei der Herstellung von Zerspanungswerkzeugen, die für die Bearbeitung von Metall, Stahl und anderen Werkstoffen eingesetzt werden. Wir erklären das immer gerne am Beispiel eines Bleistiftes. Wenn ich den frisch anspitze, sprich wenn ich ein Werkzeug frisch schleife, habe ich, wie beim Bleistift, eine sehr filigrane Spitze oder eine sehr filigrane Kante, die beim ersten Aufsetzen auf einem Blatt Papier oder in der Zerspanung sehr schnell bricht. Deswegen ist es üblich, diese Kanten im Mikrometerbereich zu verrunden. Das Verrunden der Schneidkanten war bislang sehr kostenintensiv.
Timo hat nun in den vergangenen Jahren am Institut für Spanende Fertigung der TU Dortmund ein innovatives Verfahren entwickelt, das die teuren Sondermaschinen, die man bisher dafür benötigt hat, ersetzt und den Verfahrensschritt in die Maschinen, die bereits ohnehin in der Herstellungskette vorhanden sind, integriert.
Herr Dr. Bathe, war es denn auch Ihr Ziel, sich damit selbständig zu machen?
Dr. Bathe: Nein, das war eigentlich nie mein primäres Ziel. Aber als wir uns mit Branchenkennern über unser Verfahren ausgetauscht haben, hieß es immer wieder, dass wir da ein gutes Produkt hätten, das für viele Unternehmen interessant sein könnte. Hinzu kam, dass die meisten Unternehmen, die sich mit dem Schleifen und der Herstellung von Zerspanungswerkzeugen beschäftigen im süddeutschen Raum angesiedelt sind. Da ich mich im Ruhrgebiet ziemlich wohlfühle und gerne hier bleiben wollte, habe ich die Idee, ein eigenes Unternehmen zu gründen, als gute Gelegenheit gesehen, die man am Schopf fassen muss.
Und dann kamen Sie dazu, Herr Ott?
Ott: Timo und ich kennen uns seit unserer wissenschaftlichen Tätigkeit an der TU Dortmund. Und als Timo einen Mitstreiter für sein Gründungsvorhaben gesucht hat und mir diese Möglichkeit anbot, war ich sehr froh darüber, dass ich diese Chance bekommen habe.
Sie wurden von der TU Dortmund bei Ihren Gründungsvorbereitungen betreut. Herr Dr. Bathe, wie sah diese Betreuung aus?
Dr. Bathe: Die war sehr gut. Was die technische Produktentwicklung und Begleitung betrifft, müssen wir uns vor allem bei Prof. Dr.-Ing. Dirk Biermann, Leiter des Instituts für Spanende Fertigung an der TU Dortmund, bedanken. Er hat uns wirklich den Rücken freigehalten und uns intensiv unterstützt, so dass wir unser Verfahren bis zu Marktreife entwickeln konnten.
Was das unternehmerische Know-how und den Gründungsprozess betraf, wurden wir vom Centrum für Entrepreneurship und Transfer, CET, betreut. Dort haben wir eigentlich das ganze Angebot genutzt, von den zahlreichen Workshops zu allen möglichen Gründungsthemen über individuelle Beratungsgespräche bis hin zur Teilnahme am StartUP.InnoLab [Anm. d. Red. jetzt: cetup.INNOLAB].
Wie sah Ihre Teilnahme beim StartUp.InnoLab des CET aus?
Ott: Das Ganze fing mit einer Auftaktveranstaltung an, wo es primär darum ging, die Geschäftsidee noch einmal kritisch zu hinterfragen. Außerdem haben wir einen Einblick über die Angebote des Inkubators erhalten. Während des viermonatigen Programms erhielt dann jedes Team eine bedarfsorientierte Unterstützung. Wenn man also zum Beispiel bestimmte Fragen zum Thema Steuern oder zur Gestaltung von Kooperationsverträgen hatte, wurde man dazu individuell beraten. Dafür stand ein Netzwerk aus Expertinnen und Experten zur Verfügung, mit denen wir heute noch in sehr engem Kontakt stehen. Zum Abschluss fand noch der Final Pitch Day statt, bei dem wir den zweiten Platz belegt haben.
Haben Sie in der Zeit auch das notwendige unternehmerische Handwerkszeug gelernt haben?
Ott: Es wurde auf jeden Fall geschärft. Wir haben ja beide einen technischen Hintergrund und da war es natürlich spannend, einfach einmal out of the box zu denken, wie man so schön sagt, und zu lernen, was unternehmerisches Handeln ausmacht. Dadurch konnten wir unser eigenes Profil schärfen und auch unser Produkt verbessern. Ein Inkubator kann einen natürlich nicht vollumfänglich auf die spätere Rolle als Unternehmerin oder Unternehmer vorbereiten. Aber man bekommt eine Vorstellung davon.
Dr. Bathe: Wir sind ja auch noch ein sehr junges Unternehmen. Da muss sich vieles erst entwickeln. Ich glaube, ein Inkubator hat auch eher einen anderen Fokus. Da geht es darum, gründungsinteressierte Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu einem Business-Case hinzuleiten. Bei uns war es etwas anders. Wir hatten bereits unseren Proof of Concept, wir hatten unseren Prototyp. Wir waren so gut wie Ready for Market. Damit waren wir zwar schon etwas weiter als die anderen Teilnehmenden. Dennoch haben wir sehr von der individuellen Betreuung durch das Netzwerk profitiert. Das hat sich vor allem bei dem Mentorenprogramm des StartUp.InnoLab gezeigt. Dabei wurden wir von Herrn Höhner, Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma Murtfeldt Kunststoffe in Dortmund, betreut. Das war unglaublich hilfreich. Wir profitieren heute noch von den Ratschlägen und Erfahrungen unseres Mentors.
Sie sagten, es war eigentlich nicht Ihr ursprüngliches Ziel, sich einmal selbstständig zu machen. Haben Sie sich denn mittlerweile mit Ihrer Rolle als Unternehmer anfreunden können?
Dr. Bathe: Auf jeden Fall. Mittlerweile ist es auch eine Herzensangelegenheit geworden. Ich denke, das hat vor allem mit dem Prozess zu tun, den man als Gründer und junger Unternehmer durchlaufen muss. Natürlich muss man lernen, mit den Risiken umzugehen. Zu Beginn trifft man auch nicht immer die richtigen Entscheidungen, aber etwas Lehrgeld zu zahlen und Dinge auszuprobieren, gehören einfach dazu. Mittlerweile kann ich wirklich sagen: Ja, es macht Spaß, auch weil ich persönlich hinter dem Produkt stehe, nicht zuletzt, weil ich es entwickelt habe. Und auch, weil das Feedback von Seiten der Kunden sehr gut ist. Durch unser Unternehmen bekommen wir Kontakte zu Werkzeugherstellern in allen Unternehmensgrößen. Diese unterschiedlichen Einblicke sind äußerst spannend, da der Markt ungeheuer vielfältig ist. Von daher kann ich voll und ganz sagen: Ja, ich fühle mich als Unternehmer sehr wohl.
Wobei Sie immer noch mit einem Bein in der TU Dortmund stehen.
Dr. Bathe: Das ist richtig, wir sind beide noch im Angestelltenverhältnis und arbeiten nach wie vor am Institut für Spanende Fertigung (ISF) an der TU Dortmund. Das unterscheidet uns von anderen Gründerinnen und Gründern, die ihre komplette Zeit in ihr Start-up investieren. Das ist bei uns ein bisschen anders, weil wir private Verpflichtungen haben. Wir haben beide Familie und wollen und können da nicht ins volle unternehmerische Risiko gehen. Deswegen haben wir gesagt, wir wachsen eher organisch, nicht so exponentiell, sondern lassen es etwas ruhiger angehen und können außerdem noch am Institut arbeiten. Nicht zuletzt haben wir dadurch nach wie vor Zugang zu der sehr guten Infrastruktur, die uns die Weiterentwicklung des Verfahrens ermöglicht.
Gab es denn auch Hürden, mit denen Sie so nicht gerechnet hatten?
Ott: Ich glaube, der ganze unternehmerische Alltag ist ein Hürdenlauf. Das ist einer der größten Unterschiede zum Angestelltenverhältnis. Klar hatten wir uns gewisse Abläufe beim Kunden deutlich zeiteffizienter vorgestellt. Dies ist ein Aspekt, den wir lernen mussten. Im europäischen Raum sind in dem für uns relevanten Industriezweig bestehende Prozessabläufe vorhanden. Daher ist eine umfangreiche Validierung erforderlich, die bisher immer positiv verlaufen ist. Im Nicht-EU Ausland merkt man, dass bestimmte Prozesse noch nicht standardisiert sind und daher unser Verfahren auf großes Interesse stößt.
Dr. Bathe: Ich bin immer davon ausgegangen, dass in Deutschland vor allem die Mühlen der öffentlichen Verwaltung eher langsam mahlen. Aber ich musste feststellen, dass es auch in der Wirtschaft teilweise relativ träge zugeht. Wir dachten, die bereits von Alexander beschriebenen bestehenden Prozessketten müssen unter den neuen Gesichtspunkten durchleuchtet und überprüft werden. In diesem Umfang war uns das zu Beginn des Vorhabens nicht bewusst. Wir waren davon ausgegangen, dass der deutsche Mittelstand der Innovationstreiber ist und daran interessiert ist neue Produktionsverfahren schnell umzusetzen. Aber natürlich kann ein Unternehmen, egal welcher Größe, seine aktuell gut funktionierenden Abläufe nicht von heute auf morgen umstellen. Dass die Einführung eines neuen Prozessschritts in die umfangreichen und teilweise komplexen Fertigungsprozesse natürlich eine sorgfältige Planung erfordert, die auch mal etwas länger dauern kann, mussten wir auch mit Hinblick auf das unternehmerische Handeln lernen.
Sie scheinen mit der bisherigen Entwicklung Ihres Unternehmens aber dennoch ganz zufrieden zu sein. Was würden Sie als besonders positiv hervorheben?
Ott: Ich finde den Vertrieb sehr interessant. Wir haben ein gutes Produkt. Das merken wir auch im Gespräch mit den Kunden. Wir können deren Probleme tatsächlich lösen. Und da wir den notwendigen technologischen Hintergrund haben, finden die Gespräche auf Augenhöhe statt. Das macht einfach sehr viel Spaß.
Dr. Bathe: Wir haben aufgrund unserer Tätigkeit am Institut für Spanende Fertigung bereits ein gutes Netzwerk in unserer Branche. Durch unser Marketing sind nun viele neue Kontakte hinzugekommen. Das ist eigentlich das Schöne, dass wir dadurch noch einmal neue Einblicke bekommen haben. Im Rahmen unserer Forschungsarbeit hatten wir zwar auch Kontakte zu Unternehmen, haben aber immer alles aus einem technischen Blickwinkel heraus betrachtet. Jetzt ist noch der wirtschaftliche Aspekt hinzugekommen. Es geht also nicht mehr nur um eine gute technische Lösung, sondern auch um eine Lösung, die effizient und gut zu implementieren ist. Das macht es spannend.
Sie sind noch ein sehr junges Unternehmen, haben aber schon Kunden - auch im Ausland. Wie sieht Ihre Akquise aus?
Ott: Wir hatten das Glück, dass schon frühzeitig interessierte Unternehmen auf uns zugekommen sind. Neue technologische Entwicklungen sprechen sich in der Branche relativ schnell herum. Während der Corona-Pandemie haben wir dann LinkedIn für uns entdeckt und uns die Mechanismen im Online-Marketing auch durch entsprechende Workshops im Inkubatorprogramm angeeignet. Dadurch haben wir sehr viel Feedback erhalten, sogar von Unternehmen, die wir sonst nie erreicht hätten. Wir haben zum Beispiel eine sehr große Anfrage aus Indien, auch der Markt in der Türkei ist sehr interessiert. Hinzu kommen Anfragen aus der DACH-Region. Wir können also schon viel früher unsere Fühler Richtung Ausland ausstrecken als ursprünglich gedacht.
Ein großer Vorteil bei der Akquise ist auch, dass die Branche sehr gut vernetzt ist. Man kennt sich. Das merkt man auch, wenn man an Fachmessen teilnimmt, was hoffentlich bald wieder möglich sein wird. Darüber hinaus spielen wissenschaftliche Veröffentlichungen in entsprechenden Fachjournalen im deutschen Sprachraum eine wichtige Rolle, um Unternehmen auf uns aufmerksam zu machen.
Haben Sie vielleicht noch den einen oder anderen Tipp für andere Gründerinnen und Gründer?
Ott: Ja, immer weitermachen. Ich weiß nicht, wie viele Unternehmen in der Gründungsphase auf der Strecke bleiben. Ich glaube, die Zahl ist verhältnismäßig hoch, was ich zum Teil natürlich auch verstehen kann. Aber eigentlich würde ich empfehlen, immer weiterzumachen. Es finden sich immer Mittel und Wege.
Dr. Bathe: Wichtig ist auch, sich mit Fachleuten, aber auch mit Start-up-Gründerinnen und -Gründern auszutauschen und den Kontakt zu etablierten Unternehmerinnen und Unternehmern zu suchen. Für uns waren diese Gespräche sehr hilfreich.
Stand: Juli 2021
Start-up Center.NRW fördert das Centrum für Entrepreneurship & Transfer (CET) an der TU Dortmund.
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